Ende der Gewalt (1999)

Bernd Ternes

 

Krieg, Krieg, Krieg! Und immer an die Unlösbarkeit denken. Denn solange es Opfer und Täter gibt, die Guten und die Bösen, solange bleibt es kriegerisch. Gerade auch dann, wenn die Ausgangslage nicht wie sonst ist, nämlich Krieg zwischen sich bekriegenden Parteien, sondern ein mehr oder weniger einseitiger Kampf (der Serben gegen die Kosovo-Albaner bzw. UCK) durch eine von außen kommende Gewalt, die Nato, bekämpft wird.

1997 produzierte Wim Wenders seinen dritten, in den USA  gedrehten Spielfilm, The End of Violence, hier unter dem Titel Das Ende der Gewalt in die Kinos gekommen. Neben den vielen Sinn- und Handlungsebenen rund um die versuchte Entführung und anschließende Flucht des Filmproduzenten Mike Max bestach vorallem die damit verzahnte Geschichte eines geheimen staatlichen Projektes der städtischen Gewalteindämmung. Das Projekt bestand darin, die gesamte Stadt Los Angeles mittels versteckter Kameras und Satelliten (und daran angeschlossener Schußwaffen) in eine Fläche zu verwandeln, die total beobachtet werden kann, um Gewalt im Moment ihres Entstehens sofort polizeilich zu bekämpfen. Die Art, wie Wenders dieses Beenden der Kriminalität in Szene setzt, hat es allerdings in sich: Der Protagonist Max wird auf offener Straße von zwei Männern überfallen. Während sich die beiden recht bizarr darüber verständigen, wer den Überfallenen töten soll, fällt plötzlich aus dem Nichts heraus ein Schuß. Der erste Gewalttäter ist getroffen. Ein zweiter Schuß folgt, der zweite Täter fällt tödlich verletzt zu Boden. Und dann, nach einer kurzen Pause, fällt ein dritter Schuß, der den Überfallenen nur knapp verfehlt. Der versucht sofort, nachdem er realisiert, was hier passiert, sich aus der Schußlinie zu bringen, was ihm gelingt. Was ist passiert? Etwas Grausames: Das staatliche Ziel, die Gewalt zu beenden, hat zur Folge, nicht mehr zwischen Opfer und Täter, zwischen Angreifer und Angegriffenen zu unterscheiden. Ziel ist nicht mehr, den Gewalttäter zur Strecke zu bringen und das Gewaltopfer zu retten; Ziel ist vielmehr, die gewalttätige Situation zu eliminieren. Die kleinste Einheit zur Identifikation von Gewalt ist die Situation geworden, in der Gewalt ausgeübt wird: Es spielt keine Rolle mehr, wer Opfer und wer Täter ist. Es gibt nur noch die gewaltsame Tat und deren Ausmerzung. Daß die gewaltsame Ausmerzung aus dem Nichts, ja aus dem Himmel kommt, beschützt sie davor, sich selbst als Gewaltsituation wahrzunehmen. Das können dann nur noch die Zuschauer im Kino realisieren. Wenders beschrieb hier eigentlich nichts anderes als das hochtechnologisierte Zusichkommen der (national-)staatstheoretischen Formel namens Gewaltmonopol.

In den damaligen Rezensionen des Films wurde das Kunstvolle darin gesehen, daß Wenders  körperliche Gewalt nie direkt zeigt, sondern sie bestenfalls unscharf wiedergibt durch hochmoderne Monitor- und Satellitenanlagen als "Film-im-Film". Dafür äußere sich die psychische Rohheit umso direkter.

Der gegenwärtige Krieg ist davon noch weit entfernt?