Der böse leise Kampf mit Begriffen
2016
Wie gern würde man mit
einem Lachen die Parteiabkürzung AfD mit „Arschlöcher
folgen Dumpfbacken“ auflösen. Doch damit würde man dieser Ansammlung von
enthusiastischen Anhängern einer primitiven Entzivilisierung
nicht nur nicht gerecht werden – es wäre auch eine bizarre Verharmlosung der in
diesem Gedankensplitterhaufenbecken kursierenden Begrifflichkeiten und
Vorstellungen.
Begrifflichkeiten und
Vorstellungen zwar, die jedem Kenner der politisch-mentalistischen Verfassung
der Weimarer Zeit maximal ein müdes Lächeln abzuringen vermögen – waren doch
rechtsnationale, rechtsextreme, völkische und staatsreaktionäre Parteien,
Gruppen, Verbände, kurz: „Schaften“ auf der Rechten
gang und gäbe nach dem Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag; aber dass
es heute eine Restauration des Blut- und Bodendrecks in dieser Dreistigkeit
gibt: darüber kann man nicht lachen. Stirnrunzeln indes ist auch zuwenig.
Was passiert gerade? Es
ist die stinkende Seite eines modernen Antimodernismus, einer in den Bahnen der
hochentwickelten Barbarei verlaufenden Resurrektion eines „Denkens“, das im Gewande des
Kulturalismus die im Kern rassistische Krasis-Allergie
als Veredelung einer Verantwortung gegenüber dem Eigenen zu verkaufen sucht.
Und das Eigene ist, wie sollte es anders sein, „das Volk“, wahlweise auch „das
eine Volk“.
Nazi-Staatsrechtler Carl
Schmitt kann auch hier wieder exemplarisch für einen Begriffskampf herhalten,
der erst mit feinen, wenngleich bösen Unterschieden beginnt, um später dann den
„Freund-Feind“-Sack zuzumachen; so konnte schließlich
Inhumanität, Massen- und Völkermord als legitimierte Notwehr phantasmagoriert werden.
1923 versucht Schmitt
noch, Demokratie mit der „ethnischen Homogenität“ des „Volkes“ so zu verbinden,
dass auch Exklusion als Merkmal des demokratischen
Formenensembles selbstverständlich erscheint: „Jede wirkliche Demokratie beruht
darauf, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher
Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört
also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung
oder Vernichtung des Heterogenen“.
„Was“ da ausgeschieden
oder vernichtet werden soll, fasste Schmitt als das Nicht-Gleichartige. 10
Jahre später verwandelt sich bei Schmitt, so Lutz Niethammer, das
„Gleichartige“ in das „Artgleiche“ – die „Volksgemeinschaft“ hatte nun ihre
Zugbrücke, die klar trennte zwischen „innen und außen“ (AfD-Neonazi
Björn Höcke), zwischen Volksherrschaft und Demokratie.
Die letztere Unterscheidung,
Volksherrschaft versus Demokratie, ist vom überzeugten
Nazi und Weimarer Staatsrechtler Hans Liermann 1927
in die folgende, in den Spuren identitätsdemokratischer Philosophie
verlaufenden Fassung gebracht worden: Wenn, so Liermann,
das Volk als „staatsschöpfende Urkraft“ akzeptiert
werden muss, dann ist das Volk „nicht, wie in der Demokratie, in den Staat gestellt, sondern über den Staat. Es ist nicht Organ des
Staates, sondern sein Herr“.
Gewiß: Im Vergleich zu diesen Nazis und dann
im Vergleich zu den politischen Maßnahmen der Jahre ab 33 ist das, was die
„Köpfe“ und Kopflanger der AfD – von Marc Jongen über Frauke Petry bis hin
zu Peter Sloterdijk und Jürgen Elsässer – absondern, eher auf dem Niveau von
Eierdieben denn auf dem von Massenmördern anzusiedeln.
Aber nochmals: Dass hier
ein Begriffskampf, ein Kampf nicht nur um, sondern mit Begriffen und neuen Unterscheidungen
in der gesellschaftlichen Semantik statthat, der von vielen wie
selbstverständlich als Gegenwind zur Globalisierung und zur postnationalen
Biopolitik genutzt wird – das lässt einen gruseln.
Kritik der Waffen üben,
Waffen der Kritik putzen – gerade jetzt wäre dies nötig, in einer Zeit, in der
man lieber Houellebecqs „Unterwerfung“ liest, als
selbst laut zu werden und zu bekunden, dass einem das Kotzen kommt zu wissen,
man lebt unter Nazis.