Neuheit – betrachtet in verschiedenen Medien.

Kleine Anrisse zu einem fundamentalen Treibstoff spätmoderner Selbstbeobachtung

Bernd Ternes

 

Die Sonne neu jeden Tag, nichts Neues unter der Sonne, aber...“

Dietmar Kamper[1]

 

 

Im folgenden sollen einige kurze Hintergrundannahmen zum Komplex „Neuheit“ angeführt werden, um dann die Bedeutung dieses Begriffs, der eher eine Eigenschaft der Beobachtung denn Eigenschaft des Beobachteten ist, in verschiedenen „Medien“ knapp anzureißen – im Medium der Geschichte, der Zeit, des Lebens und der Evolution, des Bewußtseins, und schließlich in den neusten technischen Verbreitungs- und Kommunikationsmedien. Die jeweils behandelten Zeiträume variieren dabei zwischen einigen Jahrzehnten (neuste Medien) und einigen Millionen von Jahren (Leben).

 

1 Hintergrundrahmen

Auf Neuheit zu setzen, sich an ihr zu orientieren, und zwar persönlich genauso wie gesellschaftlich, ist eine recht alte Erfindung der Gesellschaftsgeschichte und ihrer Semantik – eine, die auch nach 500 Jahren nichts von ihrer forcierenden und traumatischen Wirkung verloren hat. Gleichwohl haben sich spätestens mit der Spätmoderne und postmodernen Beschreibungen Risse im Unterscheidungskonzept namens „das Neue“ gezeigt, die den Sachverhalt Neuheit schon seit dem frühen 20. Jahrhundert mehr als nur problematisch gemacht haben. Deswegen ist das ‚erneute’ Reden und Befragen der Bedeutung von Neuheit mehr als nur sinnreich – denn da, wo viel Neues produziert wird, wachsen die Berge des Veralteten, des Vergänglichen in gleicher Geschwindigkeit mit – und führen zu einer massiven Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten, die zu bewältigen, gar zu gestalten eine der dringlichsten Aufgaben der Technokultur sein wird.

 

Es ist heutzutage sehr schwer nachzuvollziehen, wie die geistige und gesellschaftliche Situation vor gut 500 Jahren beschaffen gewesen sein mußte, um europäische Denkbewegungen dazu zu drängen, nicht nur einzelne Gegenstände wie Gutenbergs Mobilletterndruck oder auch nur Ideen wie den Humanismus als neu zu bezeichnen, sondern gleich die ganze Zeit, sprich: die Neuzeit. Mit ihr war im Anspruch eine ungeheure Emanzipation verbunden – die Befreiung der Menschen von den Fesseln der Natur, der Tradition, der Gewohnheit, vor allem aber Befreiung von der kirchlichen und dann politischen Bevormundung. Denn noch war zu dieser Zeit das Christentum, die Gesellschaft und die Kultur zwangskirchlich deckungsgleich gewesen.[2] Und noch herrschte ein geschlossenes Weltbild. Anstelle dieser maßgebend klerikalen Richtmaße, die bestimmten, wie das Leben zu führen war, welche Erwartungen man haben durfte, welche Unterdrückungen als selbstverständlich und nicht hinterfragbar zu gelten hatten, setzte die Neuzeit um 1500 in Gestalt der bald folgenden Aufklärung ein neues Begründungs-, ein neues Beschreibungsprinzip ein: autonome Vernünftigkeit, also Selbstbestimmung. Jede Fremdbestimmung (Heteronomie) galt als Unmündigkeit, die prinzipiell durch Lernen, durch Aufklärung, und dann natürlich durch Revolution beseitigt werden könne. Die aufkommende Stadtkultur, der beginnende Humanismus, die anschwellende soziale Mobilität, erste frühkapitalistische Entfaltungen bestätigten diesen epochalen Registerwechsel.

Eine ganze Zeit ist also als neue erfunden worden – vergleichbar der beinahe zeitgleich passierenden Entdeckung eines neuen Raumes, nämlich der „Neuen Welt“ namens Amerika ab 1492.

 

Mit der Neuzeit und der Renaissance entstand in Europa also eine neue Leitunterscheidung, die die Zeit aufteilte in alt und neu/ modern. Die neue Zeit – temps moderne – machte sich unabhängig von Vergangenheit, von Tradition, von Gewohnheit, und versuchte mit den neuen Attraktoren Vernunft, Verstand und Subjekt (Individuum), Welt und Weltverständnis auf einer historisch völlig neuen Grundlage zu legitimieren. Doch das war nur paradox zu haben. Denn mit der wie auch immer erfolgreichen Auskopplung des Selbstverständnisses von Welt und Mensch aus mythischen, zyklischen, tradierten und zeitresistenten Weltbeschreibungen, also mit der Verzeitlichung von Prozessen, Handlungen, Ideen und Entscheidungen entstand nicht nur die Idee/ Utopie von Geschichte als lineare Bewegung des Fortschreitens, sondern auch – hinterrücks, sozusagen – eine Explosion der Produktion von Vergangenheit. Denn jede Neuheit, die nun als solche praktiziert oder kommuniziert wurde, mußte sich dem Diktat der Zeitlichkeit fügen, und d.h.: sich unwiederbringlich im Moment ihres Auftretens dem Prozeß des „Veraltens“ aussetzen. Je mehr Neues, desto mehr Altes. Das hat Paul Valéry in die zuspitzenden Sätze gefaßt: „Der absurde Aberglaube des Neuen [...] setzt unseren Anstrengungen das illusionärste Ziel und verhält sie dazu, das Allervergänglichste herzustellen, darunter das Wesen des Vergänglichen selbst: die Sensation des Neuen“.[3]

Die Fähigkeit, solche gegenstrebigen Prozesse wahrzunehmen und dementsprechend ein flüchtigeres, ein nicht mehr bindendes, nicht mehr essentielles Verhältnis zu Menschen, Welt und Dingen in ihr einzugehen, wurde maßgebend durch die Vergleichbarkeit von Kulturen im Zuge des Imperialismus des 18. und 19. Jahrhunderts angelegt, die ihrerseits eingebettet war in dem neuzeitlichen Anspruch, Zukunft selbst zu produzieren. Dies war ein geschichtlicher Sprung, der bis heute noch anhält und im Laufe der Jahrhunderte an Geschwindigkeit und Mobilisierung ungeheure Ausmaße angenommen hatte. Zentral, wenn auch nicht alleine verantwortlich für die permanente Unruhe und Dynamik war, daß sich im kapitalistischen Industrialismus langsam ein neues sogenanntes Vergesellschaftungsprinzip durchsetzte. Neu war nämlich nun, daß die Gesellschaft als Ganze in den Prozeß des Markt-Werdens eingespannt wurde – und sich damit grundsätzlich von einer Bewegungsgeschwindigkeit und von Erneuerungen abhängig machte, für die psychisch, kulturell und sozial keine Vorbilder in der Vergangenheit bestanden.[4] Sich vorübergehend auf vorübergehende Lagen und Situationen einzustellen, also jederzeit mit Änderungen, unbekannten Größen, mit Ungewißheit umgehen zu können, wurde eine Säule bürgerlicher Kultur – während zeitgleich Millionen von Menschen in meist brutalen Akten proletarisiert und unerbittlich zu härtester Disziplin erzogen wurden.

Gesellschaftlich wurden Handel, Technik, Wissenschaft und politische Ökonomie in einer nie gekannten Massivität synchronisiert und mobilisiert[5], daß auch weiterhin mit gutem Recht von einer Revolution zu sprechen ist. Vor allem die Wissenschaften übernahmen den Stab der permanenten Analysen und dann auch technischen Rekombinationen von Materie, Energie und schließlich Information.[6] Entdeckungen und Erfindungen von Neuem überholten sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Waren das 16. und das 17. Jahrhundert notwendige ideen- und denkpolitische Voraussetzungen eines Klärens, Planens, Entdeckens und Erfindens im 18. und 19. Jahrhundert (ein Jahrhundert, von dem Alfred North Whitehead sagt, es sei dasjenige der „Produktion“ von Erfindungen gewesen), so kam im 20. Jahrhundert schließlich dieser die Menschen und die sozialen Organisationen weit überfordernde Exzeß zu sich – in Gestalt grausamster Kriege und Vernichtungen, in denen die Traumatisierungen der „industriellen Revolution“ durch staatsterroristische Traumatisierungen ineins zum Ausbruch kamen und verdeckt wurden. Posthistorische Vorstellungen schließlich konstatierten daraufhin einen Bruch im Zeitgetriebe menschlicher Gesellschaften, das bis dato in einer Spannung zwischen Geschichtszeit und Verkehrszeit bestand, und sahen nur noch die Verkehrzeit wirken, als eine Art Umsatz-, Bewegungszeit, in der Dinge, Waren, Ideen, Menschen sich austauschen, ohne Geschichte zu produzieren und Vergangenheit anzunehmen. In dieser Verkehrszeit schließlich – oft synonym mit der Vollendung der Monetarisierung und der Marktgesellschaft gedacht – gebe es nichts mehr, was neu ist; allenfalls Optimierungen oder Verschlechterungen in der meist technischen Sache sei noch zu konstatieren. Diesem Mangel an historisch Neuem konterten Markt- und also Warengesellschaften mit einer Inflationierung von Neuheit – so daß heute schon jedes Haarshampoo alle drei Monate als neu, jede Tiefkühlpizza mit „neuer“ Rezeptur angeboten, jedes sozialwissenschaftliche Lehrbuch nach einigen Jahren als veraltet angesehen wird.

 

2 Neuheit und Zeit

Es gerät zumeist aus dem Blick, daß die Möglichkeit, Neuheit, Neues überhaupt feststellen und behaupten zu können, auf einem Zeitverständnis beruht, daß für uns Heutige selbstverständlich ist, historisch gesehen indes einen welthistorischen Bruch darstellte und damit alles andere als selbstverständlich war: die Erfindung der linearen Zeit, kurz: der Neuzeit[7] Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts. Bis dahin lebten Menschen – sehr grob gesagt – in zyklischen, rhythmischen, nicht ausbrechenden Zeitkreisen, in denen kein Platz für Neues war, weil das Wiederkehrende, das sich Wiederholende, das Immer-schon-Gewesene, das Absolute maßgebende Garantien fürs Überleben bildeten.[8] Die Unwägbarkeiten der Landwirtschaft (die meisten Menschen lebten von und in der Agrikultur), der Jahreszeiten, des Wetters verpflichteten die Bodenkultivierer, sich strengstens an das Gleichbleibende, das Bekannte, das Nichtabweichende zu halten – Neues, Unvorhergesehenes war in der Regel immer materiell existenzbedrohend. Und auch in der symbolischen Dimension sorgte eine sogenannte „subjektivische Logik“[9] dafür, daß im Weltbild der Menschen kein Raum für Zufall, für Unerklärliches, für Erfindungen war – da göttliche und animistische Mächte vorherbestimmten, was sich als Erscheinung im Leben zeigen konnte. Das Leben, die Welt, das Dasein, das eigene Sein – alles war eingeordnet in ein Schicksalsgefüge, in dem Neues entweder nicht gedacht werden konnte, in dem es als Verirrung, als Abweichung gebrandmarkt wurde, oder es ob fehlender Kommunikationsnetze nicht den Sprung zur Überlieferung schaffte.

Die Großepoche und weiterhin anhaltende Neuzeit brach mit diesen Ordnungsprinzipien, in denen das Leben, die Welt und das eigene Sein schicksalhaft verklammert wurden. Sie brach mit der Vorgabe, von Vergangenheit, von Tradition, von Weltbildern abhängig zu sein. Sie setzte sich als Zeitverständnis erfindend in ein neues Zeitkontinuum, in das nicht das Vergangene, sondern das Zukünftige magnetische Funktion erhielt.[10] Es entstand so das, was wir immer noch Geschichtszeit nennen – eine Zeit, die wie ein Pfeil ins Zukünftige, ins Offene, ins Neue fliegend vorrückt, fortschreitet. Diese Revolution im Zeitverständnis war die Voraussetzung für die Explosion des Vermögens, Dinge, Ideen, Sachverhalte, Materialien, Vorgänge „neu“ zu kombinieren, zu denken, herzustellen. Dazu bedurfte es jedoch einer zweiten Revolution, nämlich der Erfindung „des Individuums“ in der Renaissance Europas[11] resp. im Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts. Mit dem Individuum mobilisierte Europa die Produktion von Neuheit und Neuem in einer solchen Massivität, daß wir heutzutage, mit der vorerst letzten Nachwehe dieser Erfindung in Gestalt der individualisierten Kommunikation qua Internet, den Eindruck gewinnen müssen, die vor 500 Jahren einsetzende Geschichtszeit habe sich in die schon genannte Verkehrszeit verwandelt, in der es nur noch darum zu gehen scheint, Neues ohne Sinn und Verstand zu produzieren.[12] Hinterrücks hat sich jedoch eine Kontinuität eingestellt: So wie Kulturen in den Zeiten vor der Mobilisierung von Menschen, Wissen, Waren und Zeit ihre Sicherheit in der Wiederholung, im Ritus, im Alten, im Gleichbleibenden fanden, so moderne Kulturen beinahe spiegelverkehrt im sich Ändernden, sich Verändernden, im Neuen (hier ist der moderne Begriff der Mode zentral)[13] – auch wenn diese psychosoziale Anforderung weiterhin für viele Menschen noch eine Überforderung darstellt (Kulturen-, Fremdenfeindlichkeit, Technikfeindlichkeit, Sexualitätsfeindlichkeit, Feindlichkeit gegenüber „Wurzellosigkeit“ etc.). Hier gilt es etwas genauer zu werden. Baudrillard[14] wie auch Sloterdijk[15] gehen davon aus, daß ab der Mitte des 20. Jahrhunderts ein Zustand eingetreten sei, in der die Wünsche, Utopien, Bedürfnisse und Lebensverhältnisse ein Niveau für Millionen von Menschen erreicht haben, das dazu einlädt, es erhalten zu wollen. Das gilt vor allem für sozialstaatliche, rechtliche und kulturelle Standards. Die Kämpfe um eine menschenwürdige Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, Strom, Energie, mit Freiheits-, Bürger- und Sozialrechten, mit Geld und Wohlstand seien, bei aller noch bestehenden Ungerechtigkeit, vorbei. In diesen Fällen sei ein Wertkonservatismus eingetreten. Man möchte das Leben so wie es ist, allenfalls noch etwas komfortabler, aber nicht mehr in Kern geändert, verändert, anders. Doch innerhalb eines solchen Lebens, das sich einhakt in Routinen, in Sicherheiten, in Gewohnheiten, in Verläßlichkeiten, wächst gleichsam auch das Bedürfnis nach refreshment, nach Abwandlung, Abweichung, Neuheit. Das ist die Stunde der massenmedialen Kultur- und der Konsumgüterindustrie: Sie bedient das Bedürfnis nach Auswahl und Abweichung ohne Unterschied, also nach Zerstreuung, Unterhaltung und flachen Befriedigungen als diejenigen Formen, die letztlich das gewohnte, routinisierte, langweilige Leben nicht gefährden. Je abgesicherter und luxuriöser die Existenz wird, um so größer die Lust aufs Unbekannte und Neue in Gestalt von Bildern, Erlebnissen und Produkten. Hier beginnt der Prozeß der Inflationierung und damit Entkernung von Neuheit. Dieser Prozeß der Entwertung wird von zwei Bedingungen flankiert, die in kapitalistischen Produktionsgesellschaften grundlegend sind. Die erste Bedingung unterstützt den Bedarf nach „Neuheit“, die zweite gibt die Grenze von Neuheit an.

Erstens: In Marktgesellschaften ist Kapital „nichts anderes als angesammelte Vergangenheit, die als verfügbare Ressource behandelt werden kann, ohne daß die Lern- und Aneignungsprozesse selbst erinnert werden müßten“.[16] D.h.: Kapital, besser: Geldkapital besitzt die Kraft, jedes beliebige Verhältnis, Produkt, jede Landschaft, jedes Ereignis austauschbar zu machen – und damit seines Eigensinns, seiner Geschichte, seiner Entstehung zu berauben. Bezogen auf Neuheit heißt das: Neues kann nicht mehr in seiner Eigenart gewürdigt werden, es kann nicht mehr in seiner Entstehung nachvollzogen werden, es kann nicht mehr in die eigene Lebenswelt eingearbeitet werden. Es reicht jetzt aus, es bedienen zu können, es benutzen zu können (usability), es konsumieren zu können. Dies zeigt sich vordringlich im technischen Bereich, in dem Innovationen auf die Menschen losgelassen werden, ohne daß diese das vermeintlich Neue verstehen müssen, damit es funktioniert.

Zweitens: Von Günther Anders stammt der Gedanke, daß sich Menschen seelisch und von ihrem Bedürfnishorizont her nicht auf dem Laufenden der Produktion von Gütern, Waren, Informationen und Techniken halten können. Die Kluft zwischen dem, was wir herstellen und also konsumieren können, und dem „beschämend geringen“ Maximum dessen, was wir bedürfen können, ist unüberbrückbar geworden. Anders: „Unsere heutige Endlichkeit besteht nicht mehr in der Tatsache, daß wir [...] bedürftige Lebewesen“ sind, sondern umgekehrt „darin, daß wir (zum Bedauern der untröstlichen Industrie) viel zu wenig bedürfen können“.[17] Dem Menschen in der entfalteten modernen Gesellschaft fehle also zu wenig; sein Mangel ist, daß ihm zu wenig mangelt – natürlich aus der Sicht der Industrie, die immer neue Waren, Güter und Dienstleistungen verkaufen möchte. Und die mit Werbekommunikation immer wieder die Grenzen hinauszuzögern versucht, ab der sich das Gefühl einstellt, jetzt nichts mehr Zusätzliches zu brauchen – sei es in der einfachen (Nahrung), der mittleren (Mode, Reisen) oder in der gehobenen Konsumsphäre (Automobile, Wohnung).

Gesellschaften, die – trotz skandalöser Mißstände, Ungerechtigkeiten, Armut – im Überfluß angekommen sind, sind nicht mehr in der Situation, aufgrund von Not erfinderisch sein zu müssen. (Die letzte epochale Erfindung und also Neuheit, der Computer, stammt ja aus den Nöten des Zweiten Weltkriegs und sollte die Antwort auf die scheinbar kriegswichtige Dechiffrierung von Codes als auch Antwort auf die Frage sein, wie man in Bewegung bewegliche Ziele automatisiert orten und vernichten kann.) Das Bedürfnis nach elementaren Neuerungen der Existenz ist gesättigt – ausreichend Nahrung, ausreichend Energie, ausreichend Wärme, ausreichend soziale und rechtliche Ordnung. Und doch, so muß man feststellen, nimmt der Auswurf an immer neuen, kein essentielles menschliches Bedürfnis mehr treffenden Dingen, Waren und Dienstleistungen nicht ab, sondern zu – dem kapitalistischen Zwang nach mehr Wachstum folgend. Und folgend dem Zwang, sich auf Dauer von Informationen abhängig zu machen, also von etwas, was per se das Unwahrscheinliche, das Abweichende, das Neue im Blick hat. Das hat Folgen für die kulturelle und soziale Einbettung, auf die noch zu kommen ist.

 

3 Neuheit und „Leben“/Evolution

Hat sich gezeigt, daß die Kategorie Neuheit ihr Gewicht überhaupt erst bekommen hat mit der sozialhistorisch sehr späten Herausbildung eines linearen Denkens, das sich von der Offenheit der Zukunft anziehen ließ und nicht mehr von der Vergangenheit (die jetzt auch noch „mitproduziert“ werden mußte und sich gleichsam immer wieder neu darstellen ließ wie sonst nur die Zukunft), so fällt es im Zusammenhang mit der Dimension des Lebens und der Evolution besonders schwer, den Begriff des Neuen einzuordnen. Nicht erst die biophilosophischen und kognitionstheoretischen Arbeiten von Humberto Maturna[18] und Ernst von Glasersfeld[19], sondern schon die Evolutionstheorie hat immer wieder den Satz stark zu machen versucht, daß „das Leben“ per se konservativ organisiert sei: es bevorzuge das Bekannte, das schon Erreichte, das Erfolgreiche, Ähnelnde, Funktionierende, kurz: das Viable, und sperre sich gegen das Neue, das Andere, das Ungesicherte. Allein die Tatsache, daß es in der biologischen Entwicklung zu „höheren“ Lebewesen gekommen ist mit einem immer feingliedriger werdenden Apparat von Nah- und Fernsinnen, dem die Aufgabe zukommt, Erlebtes kognitiv zu verarbeiten, sei ein Beweis, zumindest ein Hinweis darauf, daß sich in der Dimension des Lebens Lebendiges an Strukturen, also an Wiederholendes und Wiederholungen orientiert – und nicht am Impuls, am Rauschen, am Neuen, am Nichtbestimmbaren. Die Basis des Lebens ist: Wiederholung. Zwar gelte das Prinzip „order from noise“ – also Strukturbildung und Ordnung als Resultat einer Verarbeitung von unspezifischen Ereignissen –; aber letztlich gehe es im „System Leben“ darum, das Rauschen, das Unbekannte, das Neue, dem sich der lebende Organismus auszusetzen hat in seiner Umwelt, so weit es geht zu minimieren. Dies ist – grob vereinfacht – einer der Gründe, warum es innerhalb der Evolution von Leben nur das Format der Mutation gibt – verstanden als „Kanal“, über den Neuheit, Neues in die Dimension von Leben, Lebendigkeit und Lebenstüchtigkeit gelangt, mit einer Übertragungsrate, deren Langsamkeit Menschen sich nicht vorstellen können.

Und doch ist im Rahmen der Evolution entscheidend Neues passiert, und zwar von dem Moment an, als es mit der Entwicklung des Neocortex beim homo sapiens nicht mehr allein darum ging, immer geschickter zu werden im Umgang mit dem, was man kennt (Gewohnheit, Selbstverständlichkeit, Routine), sondern es umgekehrt darum ging, „immer geschickter darin“ zu werden, „mit dem, was man nicht kennt, umzugehen“[20]: der Beginn des Lernens als anthropologische Basis des Lebewesens Mensch.

 

4 Neuheit und Sprache/ Bewußtsein/ soziale Evolution

Nochmals: Nicht, daß nun etwas Neues zu lernen war und daraufhin dann eine bis heute unabgeschlossene Geschichte des Neu-Lernens und des Neues-Lernens einsetzte, war die entscheidende Erfindung im Prozeß der Menschwerdung. Das Revolutionäre war vielmehr, daß sich Menschen in und mit ihrem Leben wie kein anderes Wesen bisher jetzt abhängig gemacht haben von einer Welteinstellung, die Welt immer unter der Perspektive betrachtet, daß sie und die Dinge in ihr unerkannt sind, aber prinzipiell erkannt werden können, daß sie unvollständig sind, aber durch „Wissen“ komplettiert werden können – dies übrigens einer der Säulen der Aufklärung genannten Epoche und bei Hegel mit seinem „absoluten Wissen“ einen Höhepunkt findend. Neben dem Leben und dem Ausdruck trat eine dritte Dimension auf: Wissen.

Mit der dem Lernen komplementären Erfindung von Sprache (und dann Schrift) ermöglichte dieses neue Medium der Kommunikation erstmals, daß Erfahrungen, die ein Lebewesen gemacht hat, einem anderen Lebewesen überliefert werden konnten, ohne daß dieser Empfänger gezwungen war, die Erfahrung selbst erlebt zu haben. Mit der Schrift schließlich wurden Erfahrungen, Erkenntnisse, Vorstellungen, Techniken, wurde also Wissen nicht nur überlieferbar, sondern sie koppelte sich ab von ihrem Träger, wurden zeitlich entlimitisiert, also unabhängig, und prinzipiell für alle verfügbar. Kurzum: Mit dem Komplex Lernen, Sprache, Wissen und Überlieferungsbeständigkeit über den Tod des Wissenden hinaus trat etwas ins Zentrum menschlichen Daseins, das es so noch nie gab: Die Veränderung der sozialen Evolution durch Information. Information als zeichenhafte Repräsentation/ Konstruktion von Wirklichkeit hatte nun ihrerseits eine Neuheit zur Voraussetzung, die man kognitionstheoretisch resp. neurophilosophisch so fassen kann:

Das Gehirn interagiert nicht mehr nur qua Sinnesdaten mit dem, was man die „Wirklichkeit da draußen“ zu nennen pflegt, sondern es interagiert mit ‚intern’ konstruierten Beschreibungen der Wirklichkeit. – In der Geistesgeschichte hat sich dann sehr schnell, mit dem Höhepunkt bei Hegel, die Überzeugung durchgesetzt, daß die Beschreibungen von Wirklichkeit wahrer sind denn die Wirklichkeit, die sich „nur“ den Sinnen offenbart.[21] Für diese Wahrheit der Beschreibungen brauchte es indes ein unverdächtiges Organ, einen archimedischen Punkt. Und der wurde dann schließlich Bewußtsein genannt.[22]

Schaut man sich das Bewußtsein, Information und auch das Wissen operational an, wird man eine Gemeinsamkeit feststellen können: alle drei haben einen enormen Neuheitsverbrauch:

·        das Hauptelement des Bewußtseins, der Gedanke (resp. die Vorstellung), hat die Eigenheit, im Moment des Auftauchens auch schon wieder zu verschwinden, um einem nächsten, neuen Gedanken Platz zu machen (passiert dies nicht, dann entsteht Langeweile/ Ennuie);

·        Information als solche sackt sofort in sich ein, wenn sie nicht wieder erneut in einen Zusammenhang gestellt wird, der eine Abweichungsverstärkung, eine Unwahrscheinlichkeit, eine Neuheit informiert (passiert dies nicht, entsteht nur noch Mitteilung ohne Information);

·        Wissen, so Max Weber bezogen auf Wissenschaft, ist im Moment ihres Produzierens von der Reflexion begleitet, daß es schon überholt ist resp. überholt wird (passiert dies nicht, dann handelt es sich um Mythos, Ideologie oder Wahrheitsterror).

 

Neuheit ist also konstitutionell für die „Betriebssysteme“ der Kognition, der Information und des Wissens. Und doch leben, wie Peter Sloterdijk meint, die meisten Menschen zu 90 % ihres Daseins in Gewohnheiten und Routinen, suchen die Sicherheit des Bekannten, leben in Vorsorge – und sind dennoch beinahe süchtig nach dem, was im Begriff Serendipität[23] gefaßt wird. Wie das?

 

5 Neuheit und Medien

Sich an Neuheit, ans Neue, ans Unbekannte, Nichtgewußte zu orientieren ist – wie gesagt – ein Eigenwert der soziokulturellen Evolution, die sich anscheinend in immer höhere Grade der Unwahrscheinlichkeit bewegt. Gleichzeitig wirkt indes eine unvorstellbar lange Natur- und Körpergeschichte des Lebendigen als Gegenpol mit der Tendenz, auf Sicherheit, auf Eliminierung von Ungewißheit, auf Beständiges zu setzen – von Heidegger auch als Sorge bezeichnet, die die Struktur des Daseins bestimme.

Seit Verbreitungs- und dann elektronische Massenmedien nicht mehr nur durch ihre wirtschaftlichen und militärischen Funktionen für Gesellschaft bestimmt werden (Beschaffung von Informationen aus dem Marktgeschehen; Optimierung der Zerstörungswahrscheinlichkeit), sondern selbst gesellschaftliche Funktionen übernehmen (also Vermittler von Vergesellschaftung werden); seit das technische Medium Computer zur automatischen Integration der Signalspeicherung, -übertragung und -berechnung fähig ist und damit die gesellschaftlichen Abstraktionsleistungen der letzten Jahrhunderte sich nun in technisch-digitale Virtualisierungsleistungen operationalisieren lassen[24]; seit schließlich mit den neuen Medien innerhalb der menschlichen Beschreibungs- und Bewußtseinskultur die Interaktion mit Beschreibungen nicht mehr monologisch, nicht mehr nur illusionär und fiktional vonstatten gehen muß, sondern prinzipiell dialogisch und reell simulativ (immersiv) – seit also die informationale Auflösungs- und Rekombinationskapazität von Wirklichkeit technisch möglich geworden ist, hat sich, wenn auch noch embryonal (second life), eine neue Dimension des In-der-Welt-Seins auf den Weg gemacht, die als genauso fundamental angesehen werden sollte, wie die einstmals neue Daseins-Dimension der Sprache (symbolische Ordnung), die immer noch nichts Wesentliches von ihrer gestalterischen Kraft verloren hat.

Ist die Durchsetzung des televisionären Mediums zu sehen als noch eindeutig negativ bezogen auf die europäische Bewußtseins- und also Schriftkultur, indem Kommunikation ohne Ja/Nein-Stellungnahme, ohne Verstehen, ohne Sinnverarbeitung möglich wurde („The medium is the message/ massage“; McLuhan) und die Beschleunigung von Bildern sowie Produktion und Konsumtion von Bildern die Warengesellschaft zu sich kommen ließ (Auswahl ohne Unterschied)[25], so darf in der beginnenden Durchsetzung telematischer Medien durchaus so etwas wie der Beginn einer positiven Bezogenheit auf neuartige, technosoziale Strukturen sozialer Art gesehen werden, die nicht mehr maßgebend durch Lektion, Bildung und Alphabetbeherrschung bestimmt werden. Während McLuhan Medien als Interfaces zwischen Technologien und Körpern sah, und zwar so sehr, daß „unter audiovisuellen Bedingungen unsere Augen, Ohren, Hände usw. gar nicht mehr den angeschlossenen Körpern gehören, [...] sondern den Fernsehanstalten, an die sie angeschlossen sind“[26], so dürfen in den internetbasierten computerisierten Kommunikationsmedien durchaus Ansätze von Interfaces gesehen werden, die nun zwischen dynamischen Infrastruktur-Technologien auf der einen Seite, ersten zaghaften Sozial-Körperschaften auf der anderen Seite („communities“, „social web“) Menschen neu sozialisieren – und damit das klassische Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft in einem erneuten Schub der Artifizialisierung von Gesellschaft verwirbeln.

Geld und Sprache, die prominentesten der sogenannten symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, mit denen Großpopulationen erzogen, sozialisiert, diszipliniert und drangsaliert werden, bekommen mit den nicht mehr maßgebend symbolisch generalisierten telematischen Verbreitungs-/Kommunikationsmedien also einen konkurrierenden Attraktor der Vergesellschaftung von Menschen – von Menschen, die nicht mehr als sprechende, arbeitende, vernünftige Wesen, sondern nun zusätzlich als infogene und technogene Wesen adressiert werden müssen.

Mediendesign im anspruchsvollen Sinne wäre diejenige Forschung, die solche neuartigen technosozialen Skulpturierungen zu erkunden, zu kritisieren, aber auch zu initiieren und zu kreieren hätte.

 

6 Ruinierte Neuheit?

Marx und Engels haben Mitte des 19. Jahrhunderts versucht, die Heftigkeit des industriellen und kapitalistischen Umbaus von Gesellschaften durch einen Kontinuitätsgedanken etwas abzumildern. Sie schreiben: „Die Geschichte ist nichts als die Aufeinanderfolge der einzelnen Generationen, von denen jede die ihr von allen vorhergegangenen übermachten Materiale, Kapitalien, Produktionskräfte exploitiert [ausbeutet; B.T.], daher also einerseits unter ganz veränderten Umständen die überkommene Tätigkeit fortsetzt und andrerseits mit einer ganz veränderten Tätigkeit die alten Umstände modifiziert [...]”.[27] Etwas schon Bekanntes in neuen Zeitzusammenhängen fortsetzen und zugleich noch Unbekanntes in alten Zeitzusammenhängen erneuern – das mache also menschliche Geschichte aus. Was hier zusammengedacht wird, kann man – wie schon kurz erwähnt – in einer anderen Sicht auch als Geschichtszeit und Verkehrszeit bezeichnen. Neuerungen, Veränderungen, Innovationen, gar Revolutionen, die Menschen machen, werden so gedacht, als ob sie auch von den Menschen angeeignet, gewollt, begriffen werden; als ob sie in ihre bestehende Lebenswelt eingearbeitet werden können, kulturell und psychisch verarbeitet werden.

Doch wenn man einen kritischen Blick auf die Geschichte wirft, überzeugt eher die Feststellung, daß es zu einem Bruch zwischen Geschichtszeit und Verkehrszeit gekommen ist. Neues wird nicht mehr in die Lebenswelt übersetzt, Neues wird vielmehr nur noch umgesetzt – mit schwindelerregender Geschwindigkeit. Neues trägt immer öfter nicht mehr von sich auch ein Wissen bei, warum es besser ist als Altes. Das gilt mittlerweile auch für Neuheiten im technischen und technologischen Bereich, obwohl dort Neuerungen beinahe von sich aus selbsterklärend sind (Petroleumlampe – Glühbirne, Kohleofen – Zentralheizung, Telegramm – eMail usw.). Neuheit also wird zum Ornament, auf das sich Menschen nur noch als user, als consumer beziehen. Für eine psychische, kulturelle und soziale Aneignung des Neuen ist meist keine Zeit vorgesehen – oder kein Vermögen vorhanden. Kritische Kulturpessimisten gehen gar davon aus, daß von allen zentralen Neuerungsschüben, die in Europa in den letzten gut 200 Jahren passierten – politische Revolution Ende des 18. Jahrhunderts, wissenschaftliche Revolutionen seit dem 19. Jahrhundert, künstlerische und kommunikationstechnologische Revolutionen im 20. Jahrhundert –, nur die erste und die letzte Revolution mehr schlecht als recht in die Lebenswelt von Millionen Menschen Einlaß fand (Demokratisierung und Technisierung des Lebens). Und mit dem, was sich seit gut zwei Jahrzehnten in den Konzepten namens Globalisierung, lebenslanges Lernen, flexibles Individuum, postnationale Identität, Mulikulturalismus zu entfalten sucht, scheint es – bisher zumindest – nicht anders zu gehen: Diese Konzepte verlangen von Menschen eine Fähigkeit, sich auf Umbrüche, Lebensänderungen, Ungewißheiten und Neuerungen grundlegend einzustellen, für die in der Gesellschaft bis jetzt noch keine ausgreifenden kulturellen Aneignungs- und Verarbeitungstechniken vorhanden sind. Gerd-Christian Weniger fand für diesen Zwiespalt eine Frage, die die anthropologische Dimension aufzuzeigen versucht: „Wie kann ein Lebewesen, das beinahe die gesamte Zeit seiner Entwicklungsgeschichte in kleinen überschaubaren Einheiten gelebt hat und maximal einige hundert Personen sozial wahrnehmen kann, in der Massengesellschaft von sechs Milliarden Menschen leben, ohne dabei Schaden zu nehmen?“[28] (Derselbe, Projekt Menschwerdung. Streifzüge durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen, Herne 2000, p167).

Es geht als mit der Frage nach dem Neuen darum herauszubekommen, ob und wie die soziale Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen dem dauernden Ansturm von Neuheit gewachsen ist – sowohl dem Neuen, das letztlich substanzlos geworden ist und nur noch als gadget zur Zerstreuung funktioniert, als auch dem Neuen, das von Menschen verlangt, sich – übertrieben gesagt – immer wieder neu zu erfinden.

Mit den ersten Ansätzen eines social web ist indes auch etwas in die Welt getreten, das sich genau an der Stelle abzumühen beginnt, an der entschieden wird, ob Neues sozial wahrgenommen und dann in die Lebenswelt integriert werden kann. Denn das social web ist der Versuch, Alternativen zu finden zum Monopol der sozialen Wahrnehmung, die anscheinend zu eng geworden, um all das Neue zu erfassen und zu verarbeiten, das in hochindustrialisierten spätkapitalistischen Gesellschaften ausgestoßen wird. Mit dem World Wide Web könnte also ein Experiment beginnen, in dem ein Umbau der menschlichen Verfaßtheit, der conditio humana, passiert. Menschen würden mittels telematischer Kommunikation unabhängiger von sozialer Wahrnehmung. Und damit empfänglicher für Dynamiken der Wirklichkeit, die sich maßgebend in Neuheiten ausdrücken.

Das wäre dann wirklich neu. Aber wohl erst in einigen Jahrhunderten auch so zu würdigen.



[1] Untertitel seines Buches „Horizontwechsel“, München 2001.

[2] Heinrich Lutz, Luthers Zögern, in: Merkur, Heft 7/1983, p797.

[3] Zitiert bei Walter Benjamin, Das Passagenwerk, in: ders., Gesammelte Schriften, Band V, 1, FFM 1991, p123 (Zitat im Original französisch).

[4] Karin und Dieter Claessens, Kapitalismus als Kultur, FFM 1973.

[5] Standardwerk hierzu ist Otto Ullrich, Technik und Herrschaft. Vom Hand-werk zur verdinglichten Blockstruktur industrieller Produktion, FFM 1979.

[6] Thomas S. Kuhn, Die Entstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte, FFM 1976.

[7] Siehe immer noch: Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, erneuerte Ausgabe, FFM 1996.

[8] „Bei überraschungsoffenen Lebewesen vom Typ homo sapiens ist nicht einmal Trivialität umsonst“; diese ist Effekt einer Retrivialisierung, d.h. mittels einer „Operation, dank welcher lernfähige Organismen imstande sind, Neues zu behandeln, als wäre man ihm nie begegnet“. „Daher hat das Neue zunächst und zumeist keine Chance auf Integration in den Apparat der operanten Gesten und Ideen, weil es entweder dem Bekannten oder dem Bedeutungslosen zugeordnet wird“, meint Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, FFM 2009, p645.

[9] Günter Dux, Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte, FFM 1982.

[10] Ders., Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungszeit vom Mythos zur Weltzeit, FFM 1989.

[11] Heinrich Popitz, Wege der Kreativität, Tübingen 2000.

[12] Wolfgang Kaempfer, Der stehende Sturm. Zur Dynamik gesellschaftlicher Selbstauflösung, Berlin 2005.

[13] Mode steht ein für eine Sozialisationsleistung, die Menschen daran gewöhnt, sich vorübergehend auf Vorübergehendes einzustellen.

[14] Amerika, dt. München 1987.

[15] Schäume, Bd. 3 der Sphärologie, FFM 2004, p671ff.

[16] Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Teilbd. 2, FFM 1997, p588.

[17] Derselbe, Die Antiquiertheit des Menschen, Bd.2, München 1980, p19.

[18] Etwa: Biologie der Realität, dt., FFM 1998.

[19] Etwa: Wissen, Sprache und Wirklichkeit. Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus, dt., Braunschweig/ Wiesbaden 1987.

[20] Bazon Brock im Gespräch mit Hans Ulrich Reck, in: dieselben, Utopie und Evidenzkritik. Diskursive Twin Towers/ Theorieturnier der Diskuren; erster Band, hg. von Christian Bauer, Hamburg 2010, p24 (kursiv von mir, B.T.).

[21] Zentral ist hier natürlich René Descartes zu nennen: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, dt., Hamburg 1976, p21: „Körper, Gestalt, Ausdehnung, Bewegung und Ort sind nichts als Chimären“. Das veranlaßte die rationalistische Philosophie, in der Vernunft das alleinige Heil zu suchen.

[22] Heutzutage wird vieles von dem, was man dem Bewußtsein zugestand, im Gehirn gesucht und ausfindig gemacht. Beide sind wohl aufeinander angewiesen, doch nicht identisch.

[23] Die von einem persischen Märchen sich herleitende Begriffsbildung umfaßt alle Formen der zufälligen, unerwarteten, überraschenden Entdeckung/ Begegnung/ Erfahrung.

[24] Verf., Konkrete Virtualität, abstrakte Virtualität. Notizen zu einem neuen Stand gesellschaftlichen Modelns, in: ders., Soziologische Marginialien, Bd.3, Marburg 2000, p181-188.

[25] Daniel Bell hat das kultursoziologisch als zentraler Widerspruch der fordistischen Konsumgesellschaft beschrieben: In der Arbeitssphäre herrsche absolute Konzentration und Repetition, in der Freizeitsphäre absolute Zerstreuung und die Gier nach dem Spektakel (ders., The Cultural Contradictions of Capitalism, New York 1976).

[26] Friedrich Kittler, Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999, Berlin 2002, p21.

[27] Karl Marx/ Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, p45.

[28] Derselbe, Projekt Menschwerdung. Streifzüge durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen, Herne 2000, p167.