Im Labyrinth transparenten Wissens. Kunst als anthropologische Epistemologie.
Bemerkungen
zu Vassiliea Stylianidous Environment PlaceLineLack
(2007) als multimediale Kontrapunktion des Nietzsche-Satzes
„Alles bricht, alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des
Seins“[1] || englische Fassung
siehe weiter unten
Bernd Ternes
Kann eine Geschichte, die im Tiefsten ihres Verlaufs das
Nichtfunktionieren von Geschichte darstellt, funktionierend erzählt werden?;
gibt es für den Zustand des Zersplitterns und Zerspringens von Bildern ein
Bild?; kann man sich in etwas, dessen Haupteigenschaft es ist, sich nicht in
etwas anderes hineinversetzen zu können, hineinversetzen, ohne es zu
verfehlen?; können Trennungen, die nicht mehr wissen, was es ist, das ehemals
verbunden war, wieder aufgehoben und rückgebunden werden an das ehemals
Verbundene? – Diese großformatigen Fragen haben den Sinn, die folgende Frage
plausibler erscheinen zu lassen: Kann man ein Werk wie das Stylianidous,
das als multimediales environment die
inhärenten Bezüge zwischen Raum-Installation, Video-Installationen und
Text-Installation, also das Selbstgespräch des Materials in eine immense
Offenheit zu stellen vermag, in einer geschlossenen Form, mit einem leitenden
Gedanken, gar mit einer Theorie zu beschreiben suchen?
Systemtheoretisch
kein Problem, könnte man sagen: denn die Sprache arbeitet mit anderen Elementen
denn das „System Kunst“, gehorcht anderen Regeln und Grenzen des Operierens –
und außerdem bezieht kein informationsverarbeitendes System Informationen aus
der Umwelt, sondern konstruiert diese vollständig intern. Ein Text über Kunst
beschreibe nicht Kunst, sondern das Beschreiben. Wahrnehmung ist nicht
kommunizierbar, sondern eben nur die Kommunikation darob. Und ob Kommunikation
künstlerisch ist: darüber entscheidet nicht die Kunst, sondern schon wieder (in
den meisten Fällen) – die Kommunikation. Systemtheoretisch betrachtet wäre die
Frage also mit einem großen Ja zu beantworten.
Und auch rezeptionstheoretisch ließe sich schnell eine bejahende Antwort auf die Frage finden, solange man davon überzeugt ist, daß der Betrachter von Kunst auch, vielleicht gar eigentlich Produzent der Kunst sei.[2] Denn dann wird die Gewalt, die eine geschlossene Beschreibung, eine geschlossene Interpretation, eine Übersetzung dem offenen Kunstwerk antun, dadurch gemildert, daß es viele Betrachter sind, die in ihren jeweiligen Re- und Konstruktionen des Kunstwerks die Offenheit, die Uneinheitlichkeit, die Zerrissenheit und Unvollständigkeit prolongieren. Gleich der sprachtheoretischen Maxime, daß vieles von dem, was die Sprache tut und kann, nicht in ihr und durch sie selbst, sondern erst durch den Gebrauch emergiert, wäre das Werk der Kunst aus einer nicht nur romantisch zu adjektivierenden rezeptionsästhetischen Sicht erst ebendieses im Zustande des Gesehen-, des Betrachtet-, des Angeeignetwordenseins durch den Rezipienten.
Also, zusammengefaßt: Eine Beschreibung eines Tanzes muß selbst nicht tanzen; ein Werk, vor allem Kunstwerk ist erst Kunstwerk im und durch den Beobachter. Die „Kunst“ des Schreibens über Kunst wäre demgemäß entweder eine vollständig von der beschriebenen geschiedene „Kunst“, oder aber erst die „eigentliche“ Hervorbringung der Kunst.
Diesen Alternativen in der Formierung des Verhältnisses zwischen Kunst(werk) und Beschreibung folgt der Text nicht. Warum?
Weil sich PlaceLineLack in einer auf den ersten Blick, besser: in der ersten immersiven Annährung des „Betrachters“ nicht für möglich zu haltenden Abkehr von sprachlichen, von ästhetischen, von künstlerischen Weisen des „Inbeziehung-Setzens“ realisiert, die ans Eingemachte geht. In extremer Durchgehörtheit kappt sie die Verbindungen zwischen den Worten und den Dingen, zwischen Bedeutung und Zeichen, zwischen Metapher und Wortwörtlichkeit, zwischen Bezeichnetes und Bezeichnendes, zwischen white cube und real life – all dies jedoch ohne Gebärde des Entgrenzenwollens, ohne Geste des absichtlichen Brechens mit Konventionellem, ohne Behauptung einer erfundenen Konstellation, die in bisher scheinbar unbekannte Gebiete vorstößt. Stylianidou geht es um Bewegungen, die zwischen den durch Zeichen, Geschichte und Sprache festgezurrten Verweisungen, Zuordnungen und Bedeutungen etwas aufblitzen lassen sollen, was man „Spiel“ nennt (im Sinne von: etwas hat Spiel). Spiel, indes nicht (oder noch nicht) Spielraum – „Playces“, so Stylianidou. Denn auch der Ort, von dem aus all das inszeniert wird, läßt sich nicht mehr durch den Rahmen der Exposition, der Galerie, des „Achtung: Kunst“-Designs, des klaren Publikationsformats (wie jetzt der „Kunstkatalog“) eindeutig als Kunst, Künstlerin, als „making art“ usw. festlegen. Damit also etwas Spiel bekommt, muß auch der Rahmen, der Raum erst noch erschaffen werden, herausgelöst werden aus den verfestigten, verdichteten, verhakten Routinen und Abstraktionen des Inbeziehungsetzens von Worten und Dingen, Sensationen und Kognitionen, letztlich Subjekten und Objekten.
Wenn der Satz stimmen sollte, daß jeder moderne Mensch gezwungen ist, gleichzeitig auch forschender Anthropologe sein zu müssen – um wieviel mehr gilt dies für jene, denen die gesellschaftliche Semantik den „Raum der Kunst“ zuweist: Raum, der sich seiner Orte nie sicher sein konnte (zumindest für existentielle Künstler)?; ein Raum übrigens, der immer neben dem und beim Raum der Wissenschaft die Bühnen des Wissens bereitzustellen und zugleich sicherzustellen hatte, was alles nicht gewußt, was alles nicht gelernt wird, während man immer mehr weiß und lernt.
Stylianidous Werk betreibt, „ist“ Anthropologie: die Fragen, die es stellt, berühren das Wohnen, das Mitwelt-Sein, das Zusammenleben, das Sprechen und Denken, das Gestalt-Werden („Life could be a Gestalt in time“). Zugleich betreibt und ist es Epistemologie: die Fragen, die es stellt, berühren die Bedingungen zur Ermöglichung des Verstehens selbst, des Erkennens selbst, des Bedeutens und des Bestimmens selbst. Stylianidou hat die Erfindung des Menschen durch die Wissenschaften seit Mitte des 18. Jahrhunderts (Foucault) im Rücken – und das Wissen um die vielfältigsten Dispositive, die „am Menschen“ aufgemacht und in vielfältigsten, meist grausamen Anthropotechnologien ausprobiert wurden. Diese Experimente in den Dispositiven am Menschen haben spätestens Ende des 20. Jahrhunderts eine palimpsestische „Narbenhaut“ bekommen – und werden seitdem von den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften deutungswissenschaftlich bearbeitet (Schrift-, zunehmend technoästhetische Bildkultur im weitesten Sinne). Was gegenwärtig, also nach der postmodernen Phase des sampling, übrigzubleiben scheint, sind „Menschen“, die mit ihren unterschiedlichsten geschichtlich-gesellschaftlichen Hüllen (animal rationale, symbolische Ordnung, Kommunikation) wie lose Fäden im Geschichtsvakuum ‚hängen’. Das gilt für viele Menschen als einzelne genauso wie für die Ordnungskorsette von kollektiven Systemen – ausgefranste Ausdifferenzierungen in durch Geld, Recht und Kommunikation organisierten sozialen Systemen, deren Exklusionsrate von Jahr zu Jahr steigt.
Mir scheint evident, daß PlaceLineLack von dieser „Endmoderne“ ausgeht – und in diesem Raum epistemologische Ressourcen (Davor Löffler) und die menschliche Ressource namens Epistemologie zu detektieren sucht. Das macht diese Arbeit so anziehend schwierig! Schwierig, weil Stylianidou die Daseinsdimensionen des Lebens, des Seins und des Werdens in ein epistemologisches Dreieck spannt, ohne noch die Spiele der Kontraintuition und Kontrafaktizität zu spielen, und dadurch auf die üblichen Formen des displacements, des Derangements, der Umstülpung, des Inszenierens entfernten Verstehens, der „Verfremdung“ usw. verzichten kann. Was sie zeigt, ist Leben, Werden, Sein (und nicht: Glaube, Liebe, Hoffnung; nicht Leben, Weben, Sein; nicht das Wahre, das Gute, das Schöne), das sich nur noch zeigt resp. lesen läßt, jetzt, in dieser Zeit, und das nicht mehr gedeckt ist durch die jahrhundertealten Umstellungen und Variationen, nicht mehr gedeckt ist durch Zukunftsvisionen, nicht mehr gedeckt ist durch Bedeutung und Sinn. Gegenwart, der Ist-Zustand, der jeweilige sogenannte Letztzustand eines Systems, eines Menschen, eines Kunstwerks, eines Artefakts wird zu einer erkenntnistheoretischen tabula rasa, zu einer Gegenwart, die ihre Vergangenheit abgestreift (aber nicht verloren) hat – und jetzt den Blick öffnet auf all das Vorhandene, Gemachte, Entwickelte menschlicher Artifizialität, das keinen Namen mehr hat, auf keinen Begriff gebracht werden kann, ja selbst nicht mehr anzugeben weiß, was Name, Begriff und Bedeutung bedeuten.[3]
PlaceLineLack nimmt als
multimediales, multisensuales Werk zugleich Abschied
von der systemtheoretischen Medientheorie, nach der jedes Medium zwar spezifisch
Welt einfängt, dafür aber alles an Welt, also universell Weltsachverhalte
einzuholen weiß, als auch Abstand von der Theorie der Komposition, der zufolge
eine Art Arbeitsteilung der verschiedenen und verschieden benutzen Medien durch
richtiges Arrangement mehr erzeugt als die Summe der Teile. Diese Klammern,
diese Ordnungsschemata, diese Reduktionsformeln setzt Stylianidou
aus: der Bruch zwischen „Material“ (Objekt) und Analyse (Subjekt), zwischen
Begriff und zu Begreifendes, zwischen Sagen und Aussagen ist irreversibel. Welt
in ihrer heutigen Komplexität und Exzessivität findet sich wieder in der
extremen Materialferne des theoretischen Produkts der Analyse des Materials.
Die Gewißheit, ob das Produkt der Analyse noch aus Material besteht (generell: Signifikat, Körper, Bewußtsein), stellt sich immer
schwieriger ein.
– In dieser Weite stellt sich mir der Hof des Horizonts, den PlaceLineLack öffnet. Gehen wir einen Schritt weiter.
Was Nietzsche im Eingangszitat durch die Tiere des genesenden Zarathustra sagen läßt – „Alles bricht, alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins“ –, ist in der Rezeptionsgeschichte maßgebend auf Martin Heideggers Verquickung von Haus, Sein und Sprache übergegangen[4]: daß die Sprache das Haus des Seins sei, ein Anwesen, in dem der Mensch hause; daß die Denkenden und Dichtenden die Wächter dieser Behausung seien; daß ihr Wachen das Vollbringen der Offenbarkeit des Seins sei, insofern sie diese durch ihr Sagen zur Sprache bringen und in der Sprache aufbewahren – und dergleichen mehr an Rat und Unrat.
Mit dem Haus ist hier natürlich mehr gemeint als die je konkrete, wohnliche oder unwirtliche Behausung. Und sogar mehr als die schon materialistische Funktionalisierung resp. Konzentration des je konkreten Gebäudes auf den Begriffskomplex namens Haushalt (Ökonomie). Im Fokus Haus wird vielmehr der grundlegende menschheitsgeschichtliche Akt/ Prozeß der Einwohnung, Oikeiôsis, in der völlig neuen Dimension der „Welt“ (als Gegendimension zur „Erde“) touchiert: Das aus der Schöpfung gefallene „zweibeinige ungefiederte Tier“ (Plato) namens Mensch ist und hat Natur, ist Leben und hat dieses zu führen, befindet sich im Raum auf der Erde – doch ohne zugewiesenen, zuhandenen Platz, ohne Angabe „seines Ortes“, ohne festverankerte Lebenswelt. Er ist gezwungen, von „außen“ kommend sich in etwas einzulassen, das noch nicht existiert (der Möglichkeitsraum namens „Welt“, in dem nomos, ethos und aisthesis notwendig werden als Ergänzungen zur physis). Damit steht der antike Begriff Einwohnung ein für die Wandlung des Menschen vom biologischen Lebewesen zum „moralischen Vernunftwesen“ und also ein für einen langandauernden Prozeß des Sich-Einrichtens und Sich-Einräumens in eine „neue“ Daseinsform namens Welt als Sprache (der Vernunft), die seitens der Philosophie lange Zeit als das dem Menschen Eigenste gedeutet wurde – denn: „[d]er Mensch zeigt sich als Seiendes, das redet“.[5] Mehr noch, so Heidegger: „Das Dasein hat Sprache“.[6] Und Sokrates pointiert: Sprich, damit ich dich sehe.[7]
Es verwundert nicht, daß im humanwissenschaftlichen Dreieck „Leben – Arbeit – Sprache“ letztere langandauernd als die Versicherungsanstalt für das „Sein“ aufgesucht wurde, während Leben fürs „Werden“ und Arbeit fürs „Haben“ als Reklamationsschalter fungierten. Trotz der massiven Angriffe durch den Historischen Materialismus und trotz der formalpragmatischen Zerfledderung des bewußtseins- und existenzphilosophischen Korpus der Sprache hält „Sprache“ auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts für viele dem Überleben Entstiegene immer noch die größten Anteile, wenn es darum geht, sich seiner Existenz zu versichern, d.h.: seine Existenz in der symbolischen Ordnung in Zweifel zu ziehen (um durch Zweifel Existenzbeweise zu produzieren).
Indes scheint es angebracht, hier den Weg der vorsichtigen Tuchfühlung mit dem Werk Stylianidous zu ändern und wieder bei Nietzsches Zarathustra anzuklopfen. Mit ihm können erste Differenzierungen der Innen/ Außen-RaumZeitSprache-Installation Stylianidous auf den Weg gebracht werden.
Nachdem Zarathutra sieben Tage wie
ein Toter in seiner Höhle lag und sich endlich auf seinem Lager aufrichtete,
„glaubten seine Tiere, die Zeit sei gekommen, mit ihm zu reden“ (p240). Und das
taten sie, mit meist aufmunternden Worten. Zarathustras Erwiderung auf dies
Reden ließ nicht lange auf sich warten:
„ – Oh meine Tiere, antwortete Zarathustra, schwätzt also weiter und laßt mich zuhören! Es erquickt mich so, daß ihr schwätzt: wo geschwätzt wird, da liegt mir die Welt wie ein Garten. Wie lieblich ist es, daß Worte und Töne da sind: sind nicht Worte und Töne Regenbogen und Scheinbrücken zwischen Ewig-Geschiedenem? [...] Für mich – wie gäbe es ein Außer-mir? Es gibt kein Außen! Aber das vergessen wir bei allen Tönen; wie lieblich es ist, daß wir vergessen! Sind nicht den Dingen Namen und Töne geschenkt, daß der Mensch sich an den Dingen erquicke? Es ist eine schöne Narretei, das Sprechen: damit tanzt der Mensch über alle Dinge“ (p240f.; kursiv von mir, B.T.).
Die darauf folgende Antwort der Tiere nimmt sich entscheidend des letzten Satzes an:
„ – Oh Zarathustra, sagten darauf die Tiere, solchen, die denken wie wir, tanzen alle Dinge selber; das kommt und reicht sich die Hand und flieht – und kommt zurück. [...] Alles bricht, alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins. Alles scheidet, alles grüßt sich wieder; ewig bleibt sich treu der Ring des Seins“ (p241; kursiv von mir, B.T.).
PlaceLineLack ist eine weder additive noch organische Komplexion des Einspruchs, des Widerspruchs, der Kontrapunktion zu diesem gleichen „Haus des Seins“; eine Kontrapunktion sowohl der Hybris, der Mensch finde sein „Zuhause“ über den Dingen, im Meta des Blicks, der Analyse, der Reflexion, als auch Kontrapunktion der romantischen Sehnsucht, daß die selbst tanzenden Dinge ihren Objektstatus verlieren könnten und als Lebendigkeiten ohne Verletzungen im Haus des Seins ihren Platz finden. Diese Kontrapunktion im Werk PlaceLineLack wird von Stylianidou in dreifacher, ja vierfacher Weise der Anspielung/ Bespielung exponiert:
· als Konkretions-Sein (das Hausmodellskelett; „Haus-Sein“),
· als Sozialität-Sein (Videoloop der eisessenden Familie; Im-Haus-Sein“),
· als Sprache-Sein (das Textskript; „Am-Haus-Sein“),
· sowie als eine hierzu orthogonale Kontrapunktion dieses Hauses in Gestalt des „Noch-nicht-Seins“, besser: des Sein-Werdens (Videoloop der amorphen, sich verzweifelt morphisieren wollenden [tanzenden] weißen Masse).
In diesem letzten Einspruch allenfalls ist, wie ermäßigt auch immer, die Erinnerung aufgehoben, die Zarathustras Tiere als die Erfahrung des Selbertanzens der Dinge bezeichnen – indes erinnern die Bewegungen des „Überhaupt-Etwas“ eher an Kampf denn an Tanz.
Kurzum: PlaceLineLack zeigt den für Zarathustra über allen Dingen tanzenden Menschen als Menschen, der „sein Leben“ so weitgehend in den Modi des Über(heblich)-, des „Meta“(phorisch)- oder auch des „Para“(dox)-Seins eingerichtet hat, daß er nicht mehr zu den Dingen kommt, nicht mehr in den Dingen weilt, nicht mehr für die Dinge spricht:
· das Haus ist da, doch kein Zugang möglich;
· die eisessende (sprich: sich in einem luxurierenden Binnen-environment wiederfindende) Mitwelt ist da, doch nur von außen, von dahinter, nur hinter den Rücken der eine klare ingroup darstellenden Familienmitglieder zu beobachten, ohne Eintritts-, Teilseinmöglichkeit, ohne Teilgabe nach außen;
· die Sprache und der Text sind vorzüglich zu lesen (Leselampe!), doch hier verweisen die Signifikanten auf nichts mehr außerhalb, sie betreffen sich selbst. Was ist gemeint?
„[T]he words are deadly bored“; p5 –, sie betreffen ihre eigenen Bedingungen der Ermöglichung – „immense violence [..] before the articulation; ebd. –, ihre eigenen Bedingungen der Verunmöglichung – „the language is finally being abused“; p8 –, sie betreffen ihre entfernte Verbindung zum Verstehen – „when language tries to be understandable it betrays it self“; p11 –, kurz: sie bilden so etwas wie „a text without space“ (p15), ein Text, der zu sehen, zu hören, zu lesen ist, aber nicht mehr im Gelesenwerden, im Semantik- und Bedeutung-Aufschließen allein zu sich kommt; der einen Klang, der Töne produziert; der sich von unausweichlicher Bedeutungszuweisung und Interpretation zurückziehen sucht, auf sich hört – „the words listen to themselves“; p30 –, bei sich bleibt im Bemühen, nicht mehr Information mitzuteilen, sondern die Mitteilung selbst als Information zu „performieren“– unzugänglich, doch in seiner Unzugänglichkeit zu spüren, zu fühlen, zu träumen: „[T]he text is not made to occupy“; p16.[8] Stylianidous Textur ist so etwas wie eine Kur bzw. wie eine Entzündung – niemals aber Delir resp. Expression. Er findet nach der Entzündungsphase zum Ende hin auch wieder in seine Funktion innerhalb der symbolischen Ordnung zurück – „the text has calmed down“; p28 –, nämlich etwas zu beschreiben, was selbst nicht in der Materialität von Inskription liegt.
Dieses „without space“ des Textes meint indes nicht einen jeglichen Spielraums verlustig gegangenen opaken Textraum, nicht ein Vakuum, nicht Fläche. Dieses „without“ meint vielmehr Raum als Bedeutungs-, als Codierungsraum, als durch Syntax, Grammatik und Semantik durchstrukturierten symbolischen Raum. Text ohne zugewiesene Plätze und Orte; Raum, der für alles Platz hat, aber nicht mehr erzwingt, daß alles an seinem Platz ist und seinen Platz hat.[9]
Dieserart Form von „text without space“ hat eine sehr assoziationsnahe Verbindung zu dem Raum, den man in der psychoanalytischen Metapsychologie das Unbewußte zu nennen pflegt. Hier geht es fürs erste überhaupt nicht um Sinn, um Bedeutung, um symbolische Ordnung, sondern primär darum, den Raum des Unbewußten aufzufassen als strukturiert wie eine Sprache/ ein Text resp. als eine Sprache/ ein Text (Freud/ Lacan). Die Textur eines Raumes hat meistens Sinn, macht meistens Sinn, hat meistens Bedeutung – doch Bedeutung und Sinn sind nicht logisch zwingend aus der schlichten Vorhandenheit von Textur abzuleiten, wie auch die einzelnen Zeichen, Bilder, Worte etc. nicht primär unter der Leitunterscheidung zu betrachten sind, ob sie sich in die symbolische Ordnung einschreiben können oder nicht.[10]
Stylianidous „text without space“ handelt daher nicht von einem Niemandsland, nicht
von Evakuierung oder verbrannter Erde, sondern von der Möglichkeit,
umzustellen, umzuschreiben, umzubauen, zu rekonstruieren: „On the installation PlaceLineLack I am constructing a space/ a journey of plot.” Diese Aussage
bezieht sich auf den Raum der Installation, ließe sich aber ebenso auf den Textraum
beziehen. Text und Raum, jeweils vollständig anderen Medium/
Form-Grenzziehungen verantwortlich, gehen hier eine grundlegende Synonymität ein, sind Eintrittpunkte eines in sich
geschlossenen, noch näher zu erörternden Zirkels, bei dem es keinen Unterschied
macht, ob man über den Text den Kontext (Raum) zu betreten, oder über den
Kontext (Raum) den Text zu verstehen sucht. Denn ob man an Orten ist, die nicht
mehr daraufhin vergewissert werden können, in welchem Raum sie zu ‘verorten’
sind (place without space), oder ob man Sätze liest, die nicht mehr daraufhin
vergewissert werden können, wo sie sich im symbolischen Raum, in der
sprachlichen Kontextur befinden, macht fürs erste
keinen Unterschied machenden Unterschied – hier trifft Hermeneutik filigran auf
Hermetik. Wichtig und allein tragend scheint etwas
anderes zu sein, nämlich: Wie im räumlichen und im textuellen
Raum eine Stelle, ein Ort gefunden werden kann, die und der dem Betrachter
Einlaß und Ausgang zu den Dimensionen des Lebens, des Seins und des
Werdens ermöglicht. PlaceLineLack wäre somit,
auf einen sicherlich zu groben Punkt gebracht, die epistemisch
angesetzte Erkundung von RaumSprach-(Text)Lücken, von
Lücken[11],
die nicht in ihrer Eigenschaft des Fehlens, des Mangels, der Positivitätsabsenz
in den Blick rücken, sondern in ihrer Eigenschaft, eine nur noch mehrwertig,
nie mehr einwertig/ eindeutig zu beschreibende Ontopoiese
zu ermöglichen, nämlich: (Sich) zu enthalten. Es geht um Ortlosigkeit, um Raumlosigkeit
als verschwundener Rahmen für Aufenthaltsorte, Aufenthaltsräume, die zugleich
völlig unbesetzt (frei?) und völlig im Banne des Nichts, des Mangels, des
Fehlens, der Abwesenheit „sind“.
Wie kann man sich in der Zeit und in Räumen
enthalten, und wie kann man das Nicht-Enthalten-Sein in der Zeit und in Räumen
aushalten? Kann das Sich-Enthalten eine Fassung des
Aufenthalts sein, wenn Raum, Sprache und Zeit in ihrer Unwirtlichkeit nicht
mehr per se Unterhalt, Aufenthalt, Unterhaltung (Interaktion) bereitstellen?
Vassilia Stylianidou entgrenzt damit einen
zumeist als postmodern etikettierten Diskurs, der sich den Konsequenzen der
Welt-, Raum- und Geschichtsnichtung widmete – und
sich dabei auf die Zeit und auf eine temporäre Identität als Foci kaprizierte. Ausgangslage damals war die Vermutung,
daß vielen Zeitgenossen ob des Verfalls all der Werkzeuge, die zur Produktion
des Absehens vom „Hier-und-Jetzt“, die zur
Entgleichzeitigung von Zeit tauglich waren, nur die Zeit als Aufenthalt übrig
bleiben könne, wenngleich das ganze psychische, begriffliche und auch interaktionistische
setting
dieser Zeitgenossen ausgerichtet sei aufs Dasein, aufs Zuhausesein, aufs
Heimkommen (als Schutzschild vor Heimsuchung), auf: Selbstbegegnung[12]. Sich aufzuhalten (im doppelten Sinne) in der Zeit
aber fordere unabweisbar, sich enthalten zu können: sich sowohl enthalten
können in etwas, das man nicht mehr ist, als auch sich enthalten können einem
etwas, das man ist.[13] Etwas, die Zeit, enthält mich, wenn ich mich
meiner selbst enthalte. Diese Zweischneidigkeit des Sich-Enthaltens
erfordere, daß die Zeit, also das, was einen enthält, nicht mehr so zu denken
sei, wie das Selbstbewußtsein sein Eigen, sein Selbst zu bedenken pflegt,
nämlich als etwas, was (zumindest) alle meine Gedanken muß begleiten können –
also als etwas, das, egal, welch’ Raum, welch’ Zeit, welch’ Tun und Lassen
sich gerade Präsenz schafft, immer da ist, hier und jetzt, sich also genau da
placiert, wo ansonsten die Zeit sich zu zeigen pflegt: im Präsens.
Was passiert,
so kann man diese postmodernistische Fragestellung zusammenfassen, wenn die
Zeit nicht eigenlos „gedacht“ wird?
Stylianidous PlaceLineLack
weitet dieses Bedenken der Eigenheit/ Eigenlosigkeit
nun aus: nicht mehr nur die Zeit als etwas auf den Menschen Konvergierendes
steht grundsätzlich auf dem Spiel, sondern auch der Raum, die Sprache, die
Gemeinschaft der/ von Menschen, schließlich gar das Werden als solches. Was in
der Systemtheorie in einer völlig anderen Ausrichtung als beinahe exzessive
Ausdifferenzierung von Systemen mit Eigenlogik beschrieben wurde, exponiert Stylianidou als Transgression einer umfassenden Opakheit des Daseins, das den einzelnen dazu verurteilt, im
Außen zu verweilen; in einem Außen, das nicht mehr bewußtseinsphilosophisch als
Negation („Verweilen beim Negativen“; Hegel[14]),
das nicht mehr subjektphilosophisch als Subjektivität nach dem Ende der
Subjekts (der Blick des Außen/ von außen Foucaults; das „ein Leben, nicht mein
Leben leben“ Deleuzes), das
schließlich als Außen nicht mehr unterscheidungslogisch als ein auf ein Innen
bezogenes Außen beschrieben werden kann.
Was ist zu sehen?
2 Eigensinn/ Eigenlosigkeit
und Beobachtung
„On the
installation space various and multiple traces of plot are registered and
interwoven. The model of the skeleton of a house. Dimensions 400X200X200. If I
take the place of the viewer I am aware of a certain difficulty in the
discovery of a relation with the model of the house. This is due to the
misleading scale and the phenomenally wrong placement of some of its elements.
It is closed. Motion around that model is possible. It can become the subject
of curiosity and questions. Nevertheless the construction offers a place for
the viewer.” (Stylianidou)
Das
Hausskelett als Zentrum des Installation ist geschlossen. Es erlaubt Blicke in
es hinein, und auch die Treppe als bauliche Einladung, ins Innere zu kommen,
ist Reminiszenz an eine Zeit, in der man wie selbstverständlich ein Innen
erwarten und dort Einkehr halten konnte. Doch die Treppe ist nur noch Ornament,
Applikation ohne Funktion; der Eintritt ins Haus ist unmöglich. Was bleibt ist,
daß man dem Haus beiwohnen kann. Das Haus, Sinnbild und Realie einer Menschenmacht, um sich gegen die Unbill der
„Natur“ zu schützen, ist nunmehr nur noch ein Etwas im Außen der „Natur“. Man
verbleibt im Nahbereich eines geschlossenen Innen – und ist ob des
eingekapselten, unmöglichen Innen des Hauses versucht, ein neues Innen im
Außenraum zu kreieren: Sprache. Stylianidou
realisiert dies mit der Intimität konnotierenden
Konstellation eines Hockers, einer Leselampe und eines Skripts („The allusively enclosed external space acquires the quality of a intimate room“), also mit
Ingredienzien, die definitiv zum Intérieur gehören.
Indes reicht dies nicht mehr hin, um die Funktion des Obdachs, die ein Haus
erfüllt, auszuführen. Das „Haus“ der Sprache (Schrift, Text) erfordert mehr als
bloß ein Dort-Sein, mehr als die „einfache“
Einrichtung durch Gegenstände. Da es nur noch die Augen sind, die den
physischen Einlaß in diesen Raum ermöglichen – also das Lesen der Sätze, Worte,
Buchstaben –, muß der Beobachter selbst in seinem Innen Zugänge schaffen, muß
der Leser selbst dafür sorgen, in den Text, in die Geschichte, in die Sprache
hineinzukommen. Der Sprachraum besitzt keine Tür, durch die man einfach tritt,
um im Raum zu sein. Die Sprache besitzt nicht einmal einen Raum außerhalb des
Lesers. Der Leser muß ihn selbst erschaffen – den Raum und die Gegenstände
darin. Und diese Notwendigkeit, mehr denn je selbst dafür verantwortlich zu
sein, ob ich im Haus der Sprache symbolisch/ imaginär einen Platz finde, drückt
umgekehrt die Härte aus, daß all dies nur in einer realen Obdachlosigkeit
passiert, die man „das Reale“ zu nennen pflegt. Das ist der Preis für die
Möglichkeit, im symbolischen und imaginären Raum „leben“ zu können. Diese
Möglichkeit wurde und wird oft auch mit Freiheit übersetzt – im Existentialismus
als Zwang zur Freiheit (zu), im deutschen Idealismus und in der Romantik als
Notwendigkeit zur Freiheit (von), und gegenwärtig als beinahe nutzlose Freiheit
(ohne Relation). Der Mensch als das aus der Natur gefallene Tier schlägt in der
Sprache auf, in der er das Herausgefallensein aus „Natur“ als Emanzipation zu
deuten versteht, als Emanzipation von Natur – dialektisch: durch Natur –, und findet
sich am Ende einer Tausende von Jahren währenden Geschichtszeit (gleichsam
Effekt der Schrift) wieder als Lebewesen, das nicht mehr in „die Natur“
zurückgeworfen werden kann, noch in der Sprache, in der symbolischen Ordnung seinen
Bestimmungsort zu finden vermag.
Doch „Naturordnung“ und symbolische Ordnung
decken nicht allein den Bedürfnis-Befriedigungs-Resonanz-Komplex des homo
sapiens sapiens. Es gibt auch eine Ordnung der
sozialen Atmosphäralität, der sozialen Wahrnehmung,
der Bildung von Innen-Außen-Grenzen durch „Gemeinschaft“.
„Opposite
the reading place of the text we can see a big video projection. A family in
the garden of a house are eating white ice-cream. The camera moves in circles
over their heads. We can detect the interruption of movement. The motion
insists on the back of the heads not on faces. There is the encircling motion
around a closed, organized system of relations. Is it all about the
constitution of a group? Is something about to happen? Or
has it already happened?”
Mit dieser Videoinstallation einer eisessenden Familie eröffnet Stylianidou eine weitere, diesmal sehr vertrackte epistemologische Frage nach dem Menschen; denn diesmal ist es nicht nur das Abstraktum Mensch, sondern der Mensch als Beobachter, als Zuschauer, der in einem Kurzschluß mit der Gesamtinstallation aufgeschärft wird. Kurzgefaßt: Der Mensch als Zuschauer kann niemals Einlaß finden, eingewoben werden in das, was man Gemeinschaft nennt, besser aber als Gemeinschaft erster Ordnung bezeichnet werden sollte[15]. Er kann allenfalls sehen, daß es dort ein Innen gibt, das nicht zu betreten ist, das mit einer unerbittlichen Schärfe den Zuschauer „draußen“ läßt, solange er Zuschauer ist.
In der Beschreibung ihrer Arbeit
schreibt die Künstlerin: „I set the question of space […] as a
possibility of involvement and absorption of the viewer.“
Die Bezeichnung „viewer“
ist hier sehr präzise gewählt – denn sie läßt mit großer Klarheit gravierende
Unterscheidungen im Begriff des Raumes und in den Begriffen des Teilseins,
Raumteilens, Mitseins entstehen. Findet „der Mensch“ nicht mehr in der
existentiellen Einrichtung/ Einwohnung auf der Erde seinen Platz, bleibt ihm
noch der symbolische/ imaginäre Raum – dafür muß er „reader“
werden, ein gewichtiger Abkömmling des „viewers“.
Zugleich mit dieser Kulturtechnik der Beobachtung resp. mit der sogenannten „Okulartyrannis“ zeigen sich aber schon die Grenzen: Es gibt
soziale Systeme, soziale Räume, in denen und an denen man nur teilhat, wenn man
ein Teil ist. Die Teilnahme durch Beobachtung ist unmöglich. Es gibt keine Form
des „involvement“. Das reine Betrachten einer kohäsiven Gruppe erzeugt im Gegenteil ein prägnantes Gespür
für die Distanz und das Außen der eigenen Beobachtung. Stylianidous
Anordnung dieser Videoinstallation im Rahmen der Gesamtinstallation ist
schlüssig: Blickt man von den Manuskriptseiten auf, sieht man die Familie am
großen Tisch – immer von außen. Die Kamera bleibt immer hinter dem Rücken der
einzelnen Mitglieder, zeigt ein soziales Ereignis, das es nur für die im Kreis
nebeneinander- und gegenübersitzenden Familienmitglieder gibt. Der Gruppenkreis
ist die harte, unsichtbare Grenze zwischen Drinnen und Draußen. Als Zuschauer
sind wir also auch hier eingebunden in dem Ereignis des Nichteingebundenseins,
finden wir uns wieder im Sich-nicht-Finden, besetzen
wir als Zuschauer einen Sehraum ohne offene Orte. Oder ist PlaceLineLack
der Raum, vielleicht der letzte zugängliche Raum? Ein Raum, der offen erfahrbar
macht, daß Kunst in komplexer Weise Obdach sein kann in Zeiten der metaphysischen,
symbolischen und sozialen Obdachlosigkeit?
Ich denke nicht. Stylianidou
verzichtet rechtens auf eine Überfrachtung „der Kunst“ mit Aufgaben der Sinn-,
Raum-, Zukunftsbeschaffung für Menschen. Weder stellt sich im die
Gesamtinstallation begehenden Betrachter ein Zug zur Aneignung des Raumes ein (mein
Raum), noch dekliniert Stylianidou in ihren einzelnen
Elementen die hoffnungsfrohe Grundeinsicht der operationalen Autopoiesistheorie, nach der Offenheit auf Geschlossenheit
beruht. Vielmehr – wenn eine Subbotschaft ausgemacht werden sollte – plädiert PlaceLineLack indirekt dafür, einem Imperativ
Gehör zu verschaffen, den schon die philosophischen Romantiker konzeptionell zu
folgen suchten: Umzug ins Offene!
Doch wo ist das Offene, wo ist die Lücke, die gemeinhin nur der Teufel läßt?[16]
Die Frage nach dem Offenen beantwortet PlaceLineLack mit einer letzten, epistemologisch grundierten Annäherung an das Dreieck „Leben, Werden, Sein“, nämlich mit der Thematisierung des Werdens. Und es verwundert nicht, daß hierbei die Unzugänglichkeit, die Opakheit, die Raumeintrittslosigkeit als solche in zweifacher Weise ihren Höhepunkt erreicht. Denn einerseits ist diese Videoprojektion innerhalb des Installationsraumes die randständigste – sie befindet sich tatsächlich am Rand und für den Betrachter ungünstig auf Bodenhöhe[17] –, und andererseits ist die perspektivische Raumkreation im Video eine, die unvermittelt das Erleben von Begrenzung, Einsperrung, Gefängnis, Enge evoziert. Stylianidou schafft hier etwas Beeindruckendes: Sie zeigt, daß selbst das „Werden“ an sich, das Entstehen von etwas, das Mirakel lebender/ empfindsamer Materie nicht mehr in einem Apriori-Koordinatensystem – sei es Raum und Zeit, sei es Prozeß und Realität – einzufangen ist; und daß es reine Konvention, reine Verlegenheit ist, dies „Werden“ als grundlegender Raum von allem (und also auch der Menschen) in die „Natur“ zu setzen, als Eigenschaft von „Natur“ zu bedeuten – etwas, was als Naturalisierung in Zeiten depressiver Beschreibungen der soziokulturellen Welt der Menschen immer Hochkonjunktur hat, hier aber in dieser Videoprojektion als das zur Darstellung kommt, was es wohl ist: eine behelfsmäßige, ihre falsche Kulissenhaftigkeit zeigende Arretierung, ja Domestizierung der Werdenskräfte. Hier, an diesem Punkt, macht PlaceLineLack die fundamentalste Aussage, daß nämlich die allen Unterscheidungen vorangehende, orthogonal sich zu Dualismen und Polaritäten verhaltende physis (das von sich her Aufgehende) selbst eingerückt ist in die anthropologischen Gewalten des Unterscheidens, Bezeichnens und Kontrollierens. Hier, an diesem Punkt, gibt es aber auch zugleich die hoffnungsfrohe Botschaft: daß diese Domestizierung, Instrumentalisierung des „Werdens“ als offenkundige dilettantische Inszenierung, als offensichtliche Behelfsmäßigkeit zu erkennen ist – und daß der letzte, immer noch gut funktionierende Lückenplatz namens Natur für das Mirakel des anthropo-sozialen Werdens keinesfalls mehr der einzige Ankerpunkt mehr sein kann, um dem Syndrom eines sprachbegabten, arbeitenden Lebens auf die Spur zu kommen.
Damit schließlich ist nach den ruinierten „Behausungen“ der „Einwohnung“, der Sprache und der Gemein-/ Gesellschaft der letzte große Begriffsmagnet ruiniert resp. verschwunden, dessen Aufgabe es war, die Unbeantwortbarkeiten des Experiments „Mensch“ durch einfache und triviale Erklärungsmuster zu verdecken.[18]
Was ist zu sehen?
Perspektivisch betrachtet sehen wir einen Raum, der sich konstituiert aus drei zusammengestellten Photographien links, recht und hinten, und aus einer eben durch diese Photographien abgedeckten Videoprojektion vorne. Es ist eine Art Passepartout in Gestalt einer Seh-Maschine.
Die Photographien zeigen eine Wiese links, wuchernde Graslandschaft im Ausschnitt rechts, im Hintergrund Bäume vor einem See. Es sind offenkundig Photos, die wie vergrößerte Photoplakate perspektivisch so angeordnet sind, daß ihr Kulissencharakter eindeutig zu sehen ist (so zum Beispiel schließt das Baum-See-Photo in der Tiefe des zu Sehenden nicht richtig ab; es erscheint wie eine Plakatwand, die notdürftig eine Lücke auszufüllen hat, die zwischen linkem Wiesen- und rechtem Grasphoto verblieben ist). Diese Naturidyllphotos bilden einen starren Rahmen für das Video, das vorne zu sehen ist. Aber schon hier wird es uneindeutig: ist es vorne, oder ist es unten? Ist es inmitten der Photowandkulisse? Auf jeden Fall ist es umzingelt. Umzingelt, eingesperrt ist ein Prozeß, der sich materialisiert an einem/ in einem/ durch ein Etwas: ein ungeformtes, weißes „Ding“, permanent in Bewegung durch kleine Veränderungen seiner Form bis hin zu einer Teilung – ein Stück Ding löst sich aus der amorphen Masse, verschwindet (aus dem Bild), kommt wieder, vereint sich wieder. Was man wahrnimmt ist eine Art Lebendigkeit, die – anthropomorphisierend gesagt – verzweifelt versucht, durch permanente Bewegung und Veränderung eine „qualitative“ Veränderung zu erreichen: nämlich eine neue, eine andere Form ihrer selbst Gestalt werden zu lassen. Diese neue, andere Formgestalt scheint erreicht bei der ersten Teilung des Dings in zwei Teile. Doch erweist sich dies als Trug. Nach der Rückkehr des abgespaltenen Teils und seiner Auflösung durch Wiedereintritt in das verbliebene Etwas hat sich nicht geändert: nichts an der Bewegung, nicht an den Veränderungen, nichts an/ mit der Form. „Werden“ tritt hier auf der Stelle, Bewegung führt zu einem prozessualen Stillstand („Rasender Stillstand“; Paul Virilio), aber nicht im Sinne von György Ligetis Atmosphères (strukturelles Ereignis) , sondern vielmehr im Sinne einer Wiederholung als sich ereignende Struktur. Es ist so, als ob die Kräfte des Werdens, verbleiben sie im Bereich der ‚einfachen’ Materie, nun auch in eine Sackgasse geraten sind – was für alle anderen ‚Abspaltungen’ der Werdenskräfte, die sich den Bereichen des Meta-Physischen (Sprache, Moral, Arbeit, soziale Gesellschaft) öffneten und diese öffneten, schon gilt.
Was bleibt, ist ein Werden ohne Verwandlung, ein Vorübergehen ohne Passierendes, eine Differenz, die keinen Unterschied macht, ein Gestaltungsbemühen, das die Negativgestalt des Amorphen nicht überwindet, ein Ding, das – will man mit Heidegger wohlgesonnen sprechen – allenfalls in seinem Dingwesen ans Licht gelangt und dort verwahrt wird.[19]
Die epistemologische Sondierung der conditio humana und der physis in PlaceLineLack ist damit an eine „innere“ Grenze gestoßen. Weiter geht es nicht mehr. Im Gegensatz zu Vilém Flusser, der in seinem Durchgang durch die Abstraktionsprozesse der Menschwerdung/ Werdung am Schluß eine frohgemute Rückschreitarbeit vorschlägt, um die Abstraktionsstufen von hinten wieder einzuholen[20], läßt Stylianidou nichts dergleichen zu: kein wie immer geartetes „Haus des Seins“ für den Menschen, für Menschen, für den sprechenden, den arbeitenden, den der Gesellung bedürftigen, den auf Kontrast durch Veränderung angewiesenen Menschen ist in Sicht. Daß wir dies Nicht-in-Sicht-Sein erfahren können, wahrnehmen können – dafür steht zuletzt „Kunst“ ein; eine Kunst, die die Aufgabe erinnert, nach der nötigen Überwindung der Eins (logisches Denken), der Zwei (binäres Denken) und der Drei (dialektisches Denken) weiterzudenken – über das anthropologische Viereck (Schrift, Bild, Körper, Zeit) hinaus, hin zur Quintessenz, die nicht mehr (remember Foucaults/ Deleuzes „nomadisches Denken“) auf ein Haus des Seins angewiesen sein wird.
In the Labyrinth of Transparent Knowledge. Art as Anthropological
Epistemology
Remarks on Vassiliea Stylianidou’s
environment PlaceLineLack (2007) as
multimedia counterpoint to Nietzsche’s proposition that “Everything breaks,
everything is joined anew; eternally is built the same house of Being”[21]
Can a narrative that is
fundamentally concerned with the non-functioning of narrative be effectively
told? Is there an image for the splitting and shattering of images? Can one
relate to something whose principal property is not to relate to something else
without misrepresenting it? Can separations that no longer know what it was
that was connected be revoked and reconnected to what was formerly connected?
The purpose of these rather demanding questions is to make the following
question seem more plausible: can a work such as Stylianidou’s, which, as
multimedia environment, is able to place the inherent relations between spatial
installation, video installations and text installation, and hence the internal
dialogue of the material, in an immense openness, be described in a closed
form, with a leading thought – even with a theory?
From
the point of view of systems theory, no problem, one might say, since language
operates with different elements than the “system of art”, obeys different
operative rules and limits. Moreover, an information-processing system does not
take information from the environment, but constructs this fully internally. A
text about art does not describe art, but the describing itself. Perception
cannot be communicated, but is only the communication of this. And whether
communication is artistic is not decided by art, but once again (in most
cases), by communication. Therefore, in terms of systems theory, the question
can be answered with a resounding yes.
Also in terms of reception theory, a positive answer is possible, as
long as one is convinced that the viewer of art is also – perhaps even actually
– the producer of art.[22]
Since, if this is the case, the violence inflicted on the open artwork by a
closed description, a closed interpretation, a translation is reduced by the
multiplicity of viewers who, in their (re)constructions of the artwork, prolong
the openness, the lack of a unifying principle, the fragmentation and
incompleteness. Corresponding to the linguistic maxim that much of what
language does and is capable of emerges not in and through itself, but in its use,
the artwork – and not merely in terms of a Romantically-tinged reception
aesthetics – only becomes such in the process of being seen, viewed and
appropriated by the receiver.
To sum up, a description of a dance need not dance itself; a work, above
all an artwork, only becomes such in and through the observer. And thus, the
“art” of writing about art is either
an “art”, entirely divorced from what is being described, or the “actual”
production of art.
These alternatives governing the relation between art(work) and
description are not followed in this text.
Why?
Because, at first glance – or rather, in the “viewer’s” first immersive
encounter – PlaceLineLack performs a
seemingly impossible rejection of linguistic, aesthetic and artistic modes of
“putting-in-relation”, one that seems to pulls out all the stops. With extreme
attentiveness, it severs the links between word and thing, meaning and sign,
metaphor and literalness, designated and designator, white cube and real life.
And this is done without a gesture of seeking to undermine boundaries, of
intentionally breaking with conventions, without the claim of inventing a
constellation that advances into supposedly unknown territories. Stylianidou is
concerned with movements that should allow something to flash up between the
references, classifications and meanings held in place by signs, history and
language that we call “play” (in the sense of: something has play). Play, but not (or not yet) a space of play – Stylianidou
speaks of “playces”. Because the place in which all this is staged is no longer
clearly determined by the context of the exhibition, the gallery, the “warning:
art” design, the clear publication format (such as, now, the “art catalogue”)
as art, artist, “making-art” etc. Thus, for something to be given a certain
play, the frame, the space must also be created – detached from the hardened,
congested, stiff routines and abstractions of the putting-into-relation of
words and things, sensations and cognitions, as well as subjects and objects.
If it is correct that every modern person is simultaneously forced to
become a researching anthropologist, then how much more is this the case for
those that social semantics allocates the “space of art”, a space that could
never be certain of its place (at least for existential artists)? A space,
incidentally, that, next to and near to the space of science, always had to
order the sites of knowledge as well as to safeguard everything that is not
known, everything that is not learnt while we learn and know more and more.
Stylianidou’s work practices, “is” anthropology. The questions it raises
touch on living, being-with-world, cohabitation, speech and thought,
becoming-gestalt (“Life could be a gestalt in time”). At the same time, it
practices and is epistemology. The questions it raises touch on the bases for
understanding as such, cognition, interpretation and designation as such.
Stylianidou has at her back the invention of man by science since the
mid-eighteenth century (Foucault) – and the knowledge of diverse dispositifs
carried out “on man”, and tested in a broad range of mostly brutal
anthropo-technologies. At the end of the twentieth century at the latest, these
experiments in dispositifs on man acquired a palimpsestic “scarification” – and
have subsequently been examined by the cultural and social sciences (writing
culture, and increasingly techno-aesthetic visual culture, in the broadest
sense). What seems to remain – following the postmodern phase of sampling – are “people” that, with
their diverse historico-social mantles (animal rationale, symbolic
order, communication), “hang” like loose threads in the historical vacuum. This
is true of many people as individuals as well as for the controlling corset of
collective systems – a loose differentiation in social systems organised by
money, law and communication whose exclusion rate grows yearly.
It seems clear that the starting point for PlaceLineLack is this “end-modernity” – and that, in this space, PlaceLineLack attempts to detect
epistemological resources (Davor Löffler) as well as the human resource called
epistemology. This is what makes this work so seductively difficult! Difficult
because Stylianidou extends the existential dimensions of life, being and
becoming into an epistemological triangle without continuing to play games of
counter-intuition and counter-facticity – thus enabling her to do without the
usual forms of displacement,
derangement, inversion, the staging of remote understanding,
“de-familiarisation” etc. What she shows is life, becoming, being (and not:
faith, love, hope; living, activity,
ontology; the true, the good and the beautiful), which can only be shown
or read, now, in this moment, and which is no longer obscured by centuries-old
adjustments and variations, no longer obscured by visions of the future, no
longer obscured by meaning and sense. The present, actuality, the so-called
most recent state of a system, of a person, an artwork, an artefact becomes an
epistemological tabula rasa, a present that has stripped off (but not
lost) its past, and now opens the view to all available, manufactured,
developed human artificiality, which no longer has a name, a definition, is no
longer even able to say what name, definition and meaning mean.[23]
As multimedia,
multi-sensual work, PlaceLineLack, on the one hand, takes leave of a
systems-theoretical media theory according to which each medium captures
specifically the world, but, at the same time, knows to secure everything
related to the world and hence universal world data; on the other hand, it
distances itself from the theory of composition according to which something
like a division of labour of the different and differently used media, by being
placed in the correct arrangement, produces more than the sum of its parts.
These parentheses, these ordering schemata, these reductive formula are suspended
by Stylianidou: the break between “material” (object) and analysis (subject),
between definition and that to be defined, between saying and declaring is
irreversible. World in its current complexity and excessiveness is
rediscovered in the extreme distance from the material of the theoretical
product of the material analysis. Certainty as to whether the product of
analysis consists of material (generally: signified, body, consciousness)
becomes increasingly difficult.
– This range points to a space in the horizon opened by PlaceLineLack.
Let us go a step further.
What, in the opening quotation Nietzsche has the animals of the
convalescent Zarathustra say – “Everything breaks, everything is joined anew;
eternally is built the same house of Being” – has been largely subsumed, in its
reception history, into Martin Heidegger’s fusion of house, being and language[24]:
language is the house of being, a place in which man abides; the thinkers and
poets are the guardians of this abode; their guardianship is the bringing about
of the manifestness of being insofar as this is brought to speech through their
talk and thus preserved in language – and other more or less helpful observations.
House, in this context, is clearly more than the concrete, comfortable
or inhospitable dwelling. And more, even, than the already materialist
functionalisation or concentration of the concrete building in the conceptual
complex called household (economy). Rather, the focus on house touches
on the fundamental act/process in the history of mankind of in-dwelling,
oikeiôsis, in the entirely new
dimension of the “world” (as a counter-dimension to “earth”). The “two-legged
featherless animal” (Plato) fallen from creation called man is and has nature,
is life and has this to carry out, finds himself in a space, on earth – though
without an allocated place that is at hand, without being indicated “his
place”, without an established life-world. He is forced, coming from “outside”
to become involved in something that still does not exist (the space of
possibility called “world” in which nomos, ethos and aisthesis
become necessary additions to physis). Thus, the ancient concept of
in-dwelling stands for man’s transformation from biological creature to “moral
rational being” and therefore for a slow process of installing oneself and
establishing oneself in a “new” form of Dasein called the-world-as-language (of
reason), which philosophy long interpreted as what was most proper to man –
since: “man shows himself as the entity which talks”.[25]
Moreover, according to Heidegger: “Dasein has language”.[26]
And Socrates asserts further: “Speak, that I may know thee”.[27]
It is not surprising that in the human-sciences triangle “life, work,
language”, the latter term was long considered as the insurance office of
“being”, while life operated as the claims counter for “becoming”, and work for
“having”. At the beginning of the twenty-first century, despite huge attacks
from historical materialism and despite the formal-pragmatic picking-over of
the consciousness- and existence-philosophical corpus of language, “language”
still holds for many dealing with survival the largest share when it is a
matter of securing one’s existence, that is to say, of casting doubt on one’s
existence in the symbolic order (producing evidence of existence through
doubt).
It seems appropriate, however, to change the approach of this first
tentative examination of Stylianidou’s work, and to call again on Nietzsche’s Zarathustra
in order to make certain distinctions regarding Stylianidou’s inner/outer
space-time-language installation.
After Zarathustra had
lain seven days like a corpse in his cave and had finally raised himself on his
pallet, “his animals believed that the time had come to talk to him” (p. 189).
And they did this with mostly encouraging words. Zarathustra quickly responds:
“ – O my animals” replied Zarathustra, “do chatter on thus and let me
listen to you! It is so refreshing to hear you chatter: where there is chatter,
there the world lies for me like a garden./ How lovely it is that there are
words and tones: are words and tones not rainbows and seeming-bridges between
what is eternally separated?/ [...] For me – how could there be an outside-me?
There is no outside! But with all tones we forget that; How lovely it is that
we forget!/ Are things not furnished with names and tones so that human beings
might refresh themselves with things? It is a beautiful foolery, this speaking:
with it human beings can dance over all
things” (p. 189f.; italics B.T.).
The animals respond enthusiastically to this last sentence:
– “O Zarathustra,” said his animals in reply, “for those that think as
we do all things are already dancing;
they come and shake hands and laugh and flee – and come back again./ [...]
Everything breaks, everything is joined anew; eternally is built the same house
of Being. Everything separates, everything greets itself again, eternally true
to itself remains the ring of Being” (p. 190; italics B.T.).
PlaceLineLack
is a neither additive nor organic complex of the intervention in, the
contradiction of, the counterpoint to this same “house of Being”, a
counterpoint to the hubris that man finds his “home” over the things, in the meta of the gaze, of analysis, of
reflection, as well as the counterpoint to the romantic yearning that the
dancing things could lose their object status and find their place as living
entities without injuries in the house of being. In PlaceLineLack,
Stylianidou exposes this counterpoint in a threefold, even fourfold manner of
allusion/mise-en-scène:
·
as
being-concretion (the house model skeleton; “being-house”),
·
as
being-sociality (video loop of the ice-cream-eating family;
“being-in-the-house”),
·
as
being-language (the script; “being-by-the-house”),
·
as
well as an orthogonal counterpoint of this house in the form of
“not-yet-being”, or better, “becoming-being” (video loop of the amorphous, [dancing]
white mass desperately attempting to morph).
This last intervention may counter, however minimally, the recollection
that Zarathustra’s animals describe as the experience of the dancing things –
since the movements of this “amorphous mass” are closer to a struggle than a
dance.
In short, PlaceLineLack shows
how the man, who for Zarathustra dances over all things, is someone who has
arranged “his life” in the modes of being-over(bearing),
being-“meta”(phoric) or being-“para”(dox) to such an extent that he no longer
comes to the things, no longer dwells
in the things, no longer
speaks for the things:
·
the
house is present, but it cannot be entered;
·
the
ice-cream-eating group (i.e., a group involved in a luxuriating inner-environment) is present, but only to
be observed from outside, from the back, from behind the heads of the family
members clearly representing an ingroup,
without the chance to enter, to be part, without the offer of participation;
·
Language
and text are well presented (reading lamps!), but the signifiers no longer
refer to what is outside; they concern themselves. What does this mean?
“[T]he words are deadly bored” (p. 5) – they concern their own
conditions of making possible – “immense violence […] before the articulation”
(ibid.) – they concern their own conditions of making impossible – “the
language is finally being abused” (p. 8) – they concern their distant
connection to understanding – “when language tries to be understandable it
betrays itself” (p. 11) – in short, they create something like “a text without
space” (p. 15), a text to be seen, to be heard, to be read, but which is no
longer exhausted in the act of being read, in the disclosure of semantics and
meaning that produces a sound, tones, that attempts to withdraw from strict
meanings and interpretations, that listens to itself (“the words listen to
themselves”, p. 30), that remains shut up in itself in an effort to no longer
convey information but to “perform” the conveyance itself as information –
inaccessible, but to be sensed, to be felt, to be dreamt in its inaccessibility
(“the text is not made to occupy”, p. 16).[28]
Stylianidou’s text is something like a cure or an inflammation – but never
delirium, never expression. After the period of inflammation, it eventually
returns to its function within the symbolic order (“the text has calmed down”,
p. 28), namely, to describe something that does not itself lie in the
materiality of the inscription.
This “without space” of the text does not, however, mean an opaque space
of text that has abandoned the possibility of a space of play, not a vacuum,
not a surface. Instead, the “without” implies a space as a space of meaning, of
encoding, as symbolic space entirely structured by syntax, grammar and
semantics. Text without allocated places and sites; space that has a
place for everything, but no longer demands that everything is in its place,
and has its place.[29]
Such a form of “text without space” has a very associative relation to
the space that, in psychoanalytic metapsychology, is commonly called the unconscious.
It is not, first of all, a matter of sense, meaning, symbolic order, but
primarily of grasping the space of the unconscious as being structured like language/text
or as language/text (Freud/Lacan). The texture of a space mostly has a sense,
mostly makes sense, mostly has a meaning – however, meaning and sense are not
logically, necessarily to be derived from the simple availability of texture,
just as individual signs, images, words etc. should not be considered primarily
according to the distinction of whether or not they can be inscribed into the
symbolic order.[30]
Hence, Stylianidou’s “text without space” does not deal with a no man’s
land, it is not about evacuation or scorched earth, but about the chance to
re-place, re-write, re-build, re-construct: “In the installation PlaceLineLack I am constructing a space
/ a journey of plot.” This statement relates to the space of the installation,
but might equally relate to the space of the text. Text and space – in each
case responsible for entirely different distinctions between medium and form –
enter into a fundamental synonymity, are the entry points of a circle that is
closed in itself and to be discussed in more detail, for which it makes no
difference whether one attempts to enter the context (space) via the text, or
to understand the text via the context (space). Since, whether one is in a
place which provides no certainty as to the space in which it is to be
“located” (place without space), or whether one reads a sentence which provides
no certainty as to where it can be found in symbolic space, in the linguistic
contexture, makes no difference that makes a difference – hermeneutics meets
subtly with hermeticism. Important and fundamental seems to be something else,
namely: how a position, a place can be found in spatial and textual space that
provides the viewer with entry and exit to the dimensions of life, being
and becoming. PlaceLineLack would thus, put rather simply, be the epistemic
exploration of space-language-(text)-gaps, of gaps[31]
that do not make visible their quality of vacancy, of lack, of absence of
positivity, but their quality of bringing about an ontopoiesis that can now
only be described as polyvalent, no longer as univalent/distinct – namely, to
enclose/abstain(oneself) [(sich)
zu enthalten]. It is a matter of placelessness and spacelessness as the missing
framework for places of residence, spaces of residence that “are”
simultaneously entirely unoccupied (free?) and entirely caught in the orbit of
nothingness, of lack, of vacancy, of absence.
How can one enclose [enthalten] oneself in time
and in spaces, and how can one endure [aushalten] the not-being-enclosed in
time and in spaces? Can the enclosing-oneself be a form of residence when
space, language and time, in their inhospitality, no longer provide support
[Unterhalt], residence [Aufenthalt], entertainment [Unterhaltung] (interaction)
per se?
Vassiliea Stylianidou thus opens up a discourse –
generally labelled postmodern – that was interested in the consequences of the
nihilation of world, space and history, and hence insisted on time and on a
temporary identity as foci. The initial assumption at the time was that for
many contemporaries, due to the disappearance of all the tools suitable for the
production of abstinence from the “here-and-now”, for the rendering
non-simultaneous of time, only time could remain as a form of residence even
though the whole psychic, conceptual and interactionist setting of these
contemporaries was oriented to Dasein, to being at home, to coming home (as a
shield against invasiveness), to: self-encounter.[32] To abide in
time, however, would necessarily require being able to enclose oneself: to
enclose oneself in something that one no longer is, as well as to be able to
abstain oneself from something that one is.[33] Something,
time, encloses [enthalten] me when I abstain [enthalten] from my self. The double-edged quality of the enclosing-oneself/abstaining-from-oneself
would demand that time – thus, what encloses me – is no longer to be thought in
the same way that self-consciousness tends to consider what is its own, its self – namely, as something that (at
least) must be able to accompany all my thoughts, and thus as something that,
in whatever space, time, doing or leaving creates presence, is always present,
here and now, thus places itself precisely where otherwise time tends to show
itself: in presence.
What happens – one can thus sum up this postmodernist
question – when time is not “thought” as non-singular [eigenlos]?
Stylianidou’s PlaceLineLack now extends
this consideration of singularity/non-singularity [Eigenheit/Eigenlosigkeit]:
it is no longer time as something converging towards people that is
fundamentally at stake, but also the space, language, community of / created by
people – finally even becoming as such. What is described in systems theory in
an entirely different sense as the almost excessive differentiation of systems
according to their autonomous logic, Stylianidou exposes as transgression of a
comprehensive opaqueness of Dasein that condemns individuals to abide outside;
an outside that can no longer be described in terms of a philosophy of
consciousness as negation (“tarrying with the negative”; Hegel[34]),
in terms of a philosophy of the subject as subjectivity after the end of the
subject (Foucault’s the look of/from the exterior; Deleuze’s “to live one life,
not my life”), finally as an outside that can no longer be described in terms
of a logic of distinction as an outside related to an inside.
What can be seen?
2 Singularity/non-singularity [Eigensinn/ Eigenlosigkeit] and observation
In the installation space various and multiple
traces of plot are registered and interwoven. The model of the skeleton of a
house. Dimensions 400X200X200. If I take the place of the viewer I am aware of
a certain difficulty in the discovery of a relation with the model of the
house. This is due to the misleading scale and the phenomenally wrong placement
of some of its elements. It is closed. Motion around that model is possible. It
can become the subject of curiosity and questions. Nevertheless the
construction offers a place for the viewer. (Stylianidou)
The house skeleton forming the centre of the installation is closed. It
provides a series of views inside, and the steps as structural invitation to
enter recall a time in which one could naturally assume an interior, a place of
retreat. Now, however, the steps are only ornamental, an accessory without a
function; entrance into the house is impossible. What remains is the
possibility of abiding by the house. The house, symbol and realis of man’s power to protect himself
against the hardships of “nature” is henceforth only something exterior to
“nature”. One remains in close range to a closed interior – and is tempted, due
to the hermetic, impossible interior of the house, to create a new interior in
the exterior: language. Stylianidou realises this with the intimate
constellation of stool, reading lamp and script (“The allusively enclosed
external space acquires the quality of an intimate room”) and hence with
elements that definitely belong to the intérieur.
This, however, is no longer sufficient to carry out the function of shelter
that a house fulfils. The “house” of language (writing, text) demands more than
simply being there, more than the “simple” furnishing with objects. Since it is
now only the eyes that make possible the physical entry into the space – the
reading of sentences, words, letters. The observer must create points of entry
within himself; the reader must find his own way into the text, into the story,
into the language. The space of language does not have a door through which one
simply enters to be in the space. Language does not even have a space outside
the reader. The reader must create it himself – the space and the objects inside.
And this necessity, more than ever to be responsible for whether I find a
symbolic/imaginary place in the house of language expresses, conversely, the
difficulty that all this only occurs in the real homelessness that is commonly
called “the real”. That is the price we have to pay for the chance to “live” in
a symbolic and imaginary space. This chance was and is often understood as
freedom – in existentialism as the obligatory freedom (to), in German idealism
and in Romanticism as the necessary freedom (from), and currently as an almost
useless freedom (without relation). Man as animal fallen from nature sets
himself up in a language in which he learns to interpret his fallenness from
“nature” as emancipation, as emancipation from nature – dialectically, through
nature – and rediscovers himself at the end of a period of history that was
thousands of years in the making (more or less as an effect of writing) as a
being that can no longer be set back into “nature”, who is no longer able to
find his place of destination in language, in the symbolic order.
However, the “natural” and symbolic order alone
do not satisfy the need-satisfaction-resonance complex of Homo sapiens
sapiens. There is also an order of social atmosphereality, of social
perception, the formation of inside/outside borders through “community”.
Opposite
the reading place of the text we can see a big video projection. A family in
the garden of a house are eating white ice cream. The camera moves in circles
over their heads. We can detect the interruption of movement. The motion
insists on the back of the heads not on faces. There is the encircling motion
around a closed, organized system of relations. Is it all about the
constitution of a group? Is something about to happen? Or has it already happened?
With this video installation of an ice-cream-eating family, Stylianidou
raises a further, this time very tricky, epistemological question about man –
since this time it is not only the abstraction man, but man as observer, as
spectator, that is put into relief in a short circuiting with the installation.
In short, man as spectator can never find entry, become interwoven in what one
generally calls community, but which might be better described as a community
of the first order.[35]
At most, he can make out an interior that cannot be entered, that remorselessly
keeps him “outside” for
as long as he remains a spectator.
In the description of her work, the artist writes: “I set the question
of space […] as a possibility of involvement and absorption of the
viewer.”
The designation “viewer” is well chosen since
it allows us to make important distinctions with great clarity in relation to
the concept of space and the concepts of being part, the sharing of space,
being-with. If “man” no longer finds his place in the existential
abode/in-dwelling on earth, he still has access to symbolic/imaginary space. To
achieve this, he must become a “reader”, the notable offspring of the “viewer”.
At the same time, however, with this cultural technique of observation or this
so-called “ocular tyranny”, it is already possible to make out certain limits:
there are social systems, social spaces in which and in relation to which one
only has a part when one is a part. Participation through observation is
impossible. There is no form of involvement. On the contrary, the mere viewing
of a cohesive group produces a concise sense of distance and of the outside of
one’s own observation. Stylianidou’s arrangement of the video installation in
the context of the installation as a whole is revealing: if one looks up from
the manuscript pages, one sees the family at a big table – always from outside.
The camera always remains behind the backs of the individual members; it shows
a social event that only exists for the family members sitting next to or
opposite one another. The group circle is the hard, invisible border between
inside and outside. As viewers, we are included in the event of not being
included; we find ourselves again in not-finding-ourselves; we occupy a viewing
space without public space. Or is PlaceLineLack the space – perhaps the
last accessible space? A space, that openly makes experienceable that art can
be a shelter in a complex way in times of metaphysical, symbolic and social
homelessness?
It seems not. Stylianidou rightly avoids
overburdening “art” with the tasks of providing sense, space, future for
people. While the viewer entering the installation makes no attempt to
appropriate the space (my space), Stylianidou avoids breaking up into
its individual parts the optimistic insight of operational autopoiesis theory
that openness touches on closedness. Rather – if a sub-message is required – PlaceLineLack
pleads indirectly for the provision of an imperative hearing that has
already been attempted conceptually by philosophical Romantics: move into the
open!
But where is the open, where is the gap that,
it is said, only the devil leaves?[36]
The question about the open is asked by PlaceLineLack with a last, epistemologically grounded approach to
the triangle “life, becoming, being” – namely, with the treatment of becoming.
And it is no surprise that the inaccessibility, the opaqueness, the absence of
a means of entrance to space as such reaches a climax here in a twofold manner:
on the one hand, this video projection is the most peripheral within the
space of the installation – it is found at the edge of the exhibition space
and, unfavourably for the viewer, at ground level[37]
– and on the other hand, the perspectival arrangement in the video is one that directly suggests
an experience of restriction, confinement, imprisonment, constriction. Here
Stylianidou accomplishes something impressive: she shows that even “becoming”
itself, the emergence of something, the miracle of living/sensitive matter can
no longer be contained in an a priori coordinate system – whether space and
time or process and reality; and that it is pure convention, pure confusion, to
position this “becoming” as the fundamental space of everything (and therefore
also of people) in “nature”, to interpret it as property of “nature”. Something
that, as naturalisation, always experiences a boom in periods of depressive
descriptions of the socio-cultural world, but which here in the video
projection is presented as what it undoubtedly is: a provisional arrest, even a
domestication, of the powers of becoming, revealing its stage-like character.
It is here that PlaceLineLack offers its most fundamental insight:
namely that the physis (that which
arises from itself) preceding all distinctions, acting orthogonally to dualisms
and polarities, is itself enlisted into the anthropological powers of
distinction, designation and control. But at the same time we also encounter
the hopeful message that this domestication and instrumentalisation of
“becoming” should be recognised as a patently dilettantish staging, as clear
provisionality – and that the last, still well-functioning gap called nature
can in no way still be the only anchor point for the miracle of the
anthropo-social becoming to get to grips with the syndrome of a functional life
endowed with language.
Finally, after the ruined “dwellings” of the “in-dwelling”, of language
and community/society, the last great conceptual magnet has been ruined or has
disappeared whose task it was to hide the unanswerability of the experiment
“man” with simple and trivial explanatory models.[38]
What is to be seen?
In terms of perspective, we see a space that is constructed from three
photographs to the left, right and at the back, and from a video projection at
the front surrounded by these photographs. It is a kind of passe-partout in the
form of an optical machine.
The photographs show a meadow on the left, a detail of wild grassland on
the right, trees in front of a lake in the background. These are clearly
photos, arranged in perspective like blown-up posters so that their
scenery-like character is clearly displayed (for example, the tree/lake photo
at the back does not properly close off the scene; it resembles a billboard
that is meant to temporarily fill a gap remaining between the meadow on the
left and the grass on the right). These photos of idyllic nature form a fixed
framework for the video that can be seen at the front. – But here things
already become unclear. Is it at the front or is it below? Is it in the middle of
the photographic backdrop? In any case, it is enclosed. Enclosed, confined is a
process that materialises in/through / in relation to something: an unformed,
white “thing”, permanently in movement through small shifts in its form,
eventually climaxing in a split: a piece of this thing breaks away from the
amorphous mass, disappears (from the image), comes back and is reintegrated.
What one perceives is a kind of living entity that – in anthropomorphic terms –
desperately attempts, through permanent movement and change to achieve a
“qualitative” change: namely, to allow a new, a different form of itself to
become gestalt. This new, different form seems to have been achieved in the
first division of the thing into two parts. But this is shown to be a deception.
After the return of the separated part and its dissolution as a result of being
reintegrated into the remaining something, nothing has changed – nothing in
relation to the movement, nothing in relation to the changes, nothing in relation
to / with the form. “Becoming” here marks time; movement leads to a processual
standstill (a “raging standstill”, Paul Virilio), but not in the sense of
György Ligeti’s Atmosphères (a structural event), but rather in the
sense of a repetition, as a structure giving rise to itself. It is as if the
forces of becoming, if they remain in the area of “simple” matter, have now
also entered a cul-de-sac – which was already the case for all other
“separations” of the forces of becoming opening up the areas of the
meta-physical (language, morality, work, social society) and opening these.
What remains is a becoming without transformation, a transition without
occurrence, a difference that does not make a difference, an effort at forming
that does not get beyond the negative form of the amorphous, a thing that – if
one wants to be well disposed with Heidegger – at best, reaches the light as
thing-essence [Dingwesen] and is preserved there.[39]
The epistemological sounding of the conditio humana and the physis
in PlaceLineLack thus comes up against an “inner” limit. There is no
possibility of going further. Unlike Vilém Flusser, who in his passage through
the abstraction process of becoming-human/becoming ends by suggesting a
cheerful work of regression to catch up with the stages of abstraction again
from behind,[40] Stylianidou allows
nothing of the kind: no “house of Being” of whatever kind is in sight for man,
for people, for speaking, working people, those in need of company, those
dependent on contrast through change. That we are able to experience and
perceive this not-being-in-sight, this is what “art” is ultimately for; an art
that recalls the task, after the necessary surmounting of the one (logical
thought), the two (binary thought) and the three (dialectical thought) to think
further – beyond the anthropological square (writing, image, body, time) to the
quintessence that (remember Foucault/Deleuze’s “nomadic thought”) is no
longer directed towards a house of being.
[1] Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein
Buch für alle und keinen, Kröner-Ausgabe, Stuttgart
1975, p241. Alle bald folgenden Zitate im Text ebenda.
[2] Hans Ulrich Reck, Der Betrachter als Produzent? Zur
Kunst der Rezeption im Zeitalter technischer Medien, in: ders.,
Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes. Zu den Spannungen zwischen
Kunst, Medien und visueller Kultur, Wien/ New York 2007, p173-186.
[3] In seiner komischsten literarischen Form ist dieser
Zustand, in dem der Ist-Zustand vollständig mit Vergangenem aufgefüllt ist,
ohne auch nur durch ein Jota Vergangenheit erklärt und verstanden werden zu
können, dargestellt im Douglas Adams’ „Per Anhalter durch All“: darin
verwandelt sich eine Atomrakete in einen Walfisch, der, plötzlich in den Weiten
des Universums sich befindend, in den ersten Minuten seines Daseins
herauszubekommen sucht, wer und was und wie er ist – tastend, versuchend,
denkend sprechend. Kurz darauf stirbt er.
[4] in: derselbe, Unterwegs zur Sprache (1950-1959), in:
GA, Bd. 12, hg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, FFM 1985; darin: Das Wesen
der Sprache (1957).
[5] Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 1979, p165.
[6] Ebda.
[7] Zitiert nach: Balthasar Gracián,
Handorakel und Kunst der Weltklugheit. (Aus dessen Werken gezogen von D. Vincenco Juan de Lastanosa, 1653;
aus dem Span. v. Arthur Schopenhauer), Stuttgart 2004, p74 (Nr. 148: Die Kunst
der Unterhaltung besitzen).
[8] „Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine
närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche
Irrtum ist nur zu bewundern, daß die Leute meinen – sie sprächen um der Dinge
willen. Gerade das Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbst
kümmert, weiß keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und fruchtbares
Geheimnis, – daß wenn einer bloß spricht, um zu sprechen, er gerade die
herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas
Bestimmtem sprechen, so läßt ihn die launige Sprache das lächerlichste und
verkehrteste Zeug sagen“ (Novalis, Werke, hg. von Gerhard Schulz, München 2001,
p426).
[9] Wenn man will, könnte man auch von halben Heterotopien sprechen, verstanden als Raumemergenz
im Medium nichtverorterter Orte.
[10] Ganz im Sinne Richard Rortys
übrigens, nämlich: Wenn wir den Versuch aufgeben, die Idee einer nicht-menschlichen
Sprache mit Sinn zu erfüllen, dann, so Rorty, werden
wir nicht mehr in Versuchung geraten müssen, die Aussage, daß die Welt
tatsächlich die Ursache dafür sein kann, daß wir einen Satz mit Recht für wahr
und stimmig und bedeutend halten, zu verwechseln mit der Behauptung, daß die
Welt sich selbst von sich aus in satzförmige Stücke namens Tatsachen und in
Sinn und in Bedeutungen aufteilt. – Stylianidou geht
es also darum, daß Textraum und der Raum des Textes durchaus Bedeutung haben
kann, aber die Bedeutung des Textes sich nicht darin erschöpft, in sein Bedeutetwerden und in seine Bedeutungen überführt zu
werden. Die Ausrichtung folgt einer Metaperspektive, einer epistemischen
Neugier, die danach fragt, was es heißt, wenn etwas etwas
heißt; was der ontische „Stellenwert“ von Beschreibung ist; was wir unter
Verstehen verstehen. In psychoanalytischen Terms
könnte man von einem Spiel mit „dem Realen“ sprechen – von seiten
des Imaginären und des Symbolischen.
[11] Ich nehme die Unsauberkeit, „lack“ nicht mit Entbehrung,
Mangel, sondern eher im Sinne von „gap“ (Lücke,
Kluft) zu übersetzen, in Kauf.
[12]
Selbstbegegnung steht hier als synthetischer Begriff, der begriffliche
Unterschiede einebnen soll; Ich-Identität, Selbstbewußtsein, das Selbst u.ä.
werden ihm subordiniert. Selbstbegegnung steht also immer noch für die pathologische
Prozedur, Selbstbewußtsein und Selbsttransparenz kurzzuschließen.
[13] Wenn
man will, kann man hier eine Position für Schellings Begriff der eigentlichen
Freiheit als im Nicht-Sein-, als im Nicht-äußern-Können
bestehend, sehen, natürlich gegen Hegels Freiheitsbegriff des notwendigen Sich-Äußerns gerichtet. Wenngleich: Sich-Enthalten
bezieht sich nicht mehr wie das Sich-Zurückhalten
auf einen Begriff des Vermögens, der irgendwie vor seinem Verschleiß durch
Realisierung gerettet werden müßte.
[14] „Eine
Vorstellung in ihre ursprünglichen Elemente auseinanderlegen, ist das
Zurückgehen zu ihren Momenten, die wenigstens nicht die Form der vorgefundenen
Vorstellung haben, sondern das unmittelbare Eigentum des Selbsts
ausmachen. Diese Analyse kommt zwar nur zu Gedanken, welche selbst
bekannte, feste und ruhende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment ist
dies Geschiedene, Unwirkliche selbst [...]. [...] Aber daß das von
seinem Umfange getrennte Akzidentelle als solches, das Gebundene und nur in
seinem Zusammenhange mit anderem Wirklichen ein eigenes Dasein und abgesonderte
Freiheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die Energie des
Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen
wollen, ist das Furchtbarste, und das Tote festzuhalten das, was die größte
Kraft erfordert. [...] Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und
von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich
erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in
der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als
das Positive, [...] sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins
Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die
es in das Sein umkehrt.“ G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Bd. 3 der
Werke, FFM 1970, p35f.
[15] Die Gemeinschaft zweiter Ordnung – hier folge ich
Richard Rorty – wäre eine Gemeinschaft von Exzentrikern.
[16] Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel läßt. Im
Umfeld des neuen Jahrhunderts, FFM 2005.
[17] Dies wäre vielleicht über nicht allzu viele Ecken
einzuordnen mit folgender Sicht von Deleuze: „Denn
die Mehrheit ist, insofern sie im Standardmaß analytisch begriffen ist, immer Niemand-Odysseus; während die Minderheit das Werden eines
jeden darstellt, sein potentielles Werden“; Gilles Deleuze,
Philosophie und Minderheit, in: ders., Kleine
Schriften, dt., Berlin 1980, p27-29, hier: p27f.
[18] Im Nebenbei gesagt: Es ist mehr als wohltuend, daß Stylianidou sich jeglicher theologischer, religiöser und
metaphysisch-autoritärer Thematisierung enthält, die aus meiner Sicht
allenfalls in der Version Thomas Luckmanns noch tolerabel wäre („Der Organismus
– für sich betrachtet nichts anderes als der isolierte Pol eines ‚sinnlosen’
subjektiven Prozesses – wird zum Selbst, indem er sich mit den anderen an das
Unternehmen der Konstruktion eines ‚objektiven’ und moralischen Universums von
Sinn macht. Dabei transzendiert er seine biologische
Natur. Es deckt sich mit einer elementaren Bedeutungsschicht des
Religionsbegriffs, wenn man das Transzendieren der
biologischen Natur durch den menschlichen Organismus ein religiöses Phänomen
nennt“; Thomas Luckmann, Die unsichtbare Religion, FFM 1991, p85f.)
[19] „Die Dinge sind
vergangen, weggegangen – wohin? Was an ihre Stelle – gestellt? Die Dinge sind
als lange vergangene und gleichwohl sind sie noch nie als Dinge gewesen.
Als Dinge – ihr Dingwesen ist noch niemals eigens ans Licht gelangt und
verwahrt worden.“ Martin Heidegger, Bremer und Freiburger Vorträge,
Bd.79 der GA, hg. von P. Jaeger, FFM 1994, Vortrag:
Das Ding, p5-23, hier: p22f.
[20] Derselbe, Vom Subjekt zum Projekt. Menschwerdung, FFM
1998.
[21] Friedrich
Nietzsche, Thus Spoke Zarathustra,
trans. by Graham Parkes, Oxford 2005, p. 190. For the subsequent quotations in
the text, see ibid.
[22] Hans Ulrich Reck,
“Der Betrachter als Produzent? Zur Kunst
der Rezeption im Zeitalter technischer Medien”, in: Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes. Zu den Spannungen
zwischen Kunst, Medien und visueller Kultur, Vienna
and New York 2007, pp. 173-186.
[23] This state, in
which the actual state is entirely filled with what has past, without being
able to be explained and understood one iota is presented in its most comic
literary form in Douglas Adams’ The
Hitchhiker’s Guide to the Galaxy in a scene in which a nuclear bomb is
transformed into a whale. Finding itself suddenly in the depths of the
universe, the whale attempts, in the first moments of existence, to discover
who and what it is – probing, testing, thinking, speaking. Whereupon, it dies.
[24] Cf. Heidegger, Unterwegs
zur Sprache (1950-1959), in: GA, vol. 12, ed. by
Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt am Main 1985, especially:
“Das Wesen der Sprache” (1957).
[25] Martin Heidegger, Being and Time, trans. by John
Macquarrie and Edward Robinson, Oxford 2005, p. 208.
[26] Ibid.
[27] Quoted in:
Balthasar Gracián, The Art of Worldly
Wisdom, trans. by Joseph Jacobs Charleston 2008, p. 116
[28] “Speaking and
writing are fundamentally very peculiar things; real conversation is a mere
play of words: One can only be amazed at the ridiculous error of those who think
they speak for the sake of the things said. Precisely that defining
characteristic of language that it is merely concerned with itself, no one
knows. That is why it is such a wonderful secret, that when one speaks merely
to speak, he says the most wonderful, most original truths. But when one
intends to speak about something specific, then capricious language makes him
say the most ridiculous and contradictory stuff” (Novalis, Werke, ed. by Gerhard Schulz, Munich 2001, p. 426).
[29] One could also
speak of semi-heterotopias, understood as the emergence of space in the medium
of non-situated places.
[30] Entirely in the
sense of Richard Rorty. According to Rorty, if we abandon the attempt to fill
the idea of a non-human language with meaning, then we need not be tempted to
mix up the statement that the world can indeed be the cause of the fact that we
rightly hold a sentence to be true and coherent and meaningful with the
assertion that the world naturally divides itself up into sentence-shaped
pieces called facts, and into sense and meaning. – Thus, Stylianidou is
interested in how text-space and the space of the text is fully able to have
meaning, but the meaning of the text is not exhausted in its interpretation and
by being translated into meanings. This direction follows a meta-perspective,
an epistemic curiosity that enquires into what it means when something means
something, what is the ontic status of description, what we understand under
understanding. In psychoanalytical terms, one could speak of a game with the
“real” – from the perspective of the imaginary and the symbolic.
[31] I accept the
impurity of interpreting “lack”, not as deficit, but rather in the sense of
“gap”.
[32] Self-encounter is used here as a synthetic
concept that should smooth away conceptual differences. It encompasses, among
other things, ego-identity, self-consciousness, the self. Hence, self-encounter
still stands for the pathological procedure of short-circuiting
self-consciousness and self-transparency.
[33] If one wants, one can see here a position for
Schelling’s concept of actual freedom as consisting of not-being-able-to-be, of
not-being-able-to-express, naturally directed against Hegel’s concept of
freedom as necessarily expressing oneself. However, self-abstinence
[Sich-Enthalten] like self-restraint [Sich-Zurückhalten] no longer refers to a
concept of potentiality which must somehow be preserved from deterioration
through realisation.
[34] “To break up an idea into its ultimate elements
means returning upon its moments, which at least do not have the form of the
given idea when found, but are the immediate property of the self. Doubtless
this analysis only arrives at thoughts which are themselves familiar elements,
fixed inert determinations. But what is thus separated, and in a sense is
unreal is itself an essential moment [...]. [...] But that an accident as such,
when out loose from its containing circumference, – that what is bound and held
by something else and actual only by being connected with it, – should obtain
an existence all its own, gain freedom and independence on its own account –
this is the portentous power of the negative; it is the energy of thought, of
pure ego. Death, as we may call that unreality, is the most terrible thing, and
to keep and hold fast what is dead demands the greatest force of all. [...] But
the life of the mind is not one that shuns death, and keeps clear of
destruction; it endures death and in death maintains its being. It only wins to
its truth when it finds itself utterly torn asunder. It is this mighty power
not by being a positive, [...] on the contrary, mind is this power only by
looking the negative in the face, and dwelling with it. This dwelling beside it
is the magic power that converts the negative into being.” (G.W.F. Hegel, The phenomenology of the Mind, vol. 1,
trans. by J.B. Baillie, London 2002, p. 30f.)
[35] A second-order
community – here I follow Richard Rorty – would be a community of eccentrics.
[36] Alexander Kluge, Die
Lücke, die der Teufel läßt [The Gap the Devil Leaves]. Im Umfeld des neuen Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2005, (The Devil’s Blind Spot. Tales from the New Century, trans. by Martin Chalmers
and Michael Hulse, New York 2004).
[37] Without too great a
leap, this could perhaps be ranked alongside Deleuze’s observation that: “the
majority, insofar as it is analytically included in the abstract standard, is
never anybody, it is always Nobody – Ulysses – whereas the minority is the
becoming of everybody, one’s potential becoming.” (Gilles Deleuze, A Thousand Plateaus, New York and London
2004, p. 117.)
[38] It is to be
welcomed that Stylianidou abstains from all theological, religious and
metaphysical-authoritarian treatments of her theme, which, in my opinion, are
still given their most tolerable form in Thomas Luckmann’s version: “The
organism – considered apart, nothing but the isolated pole of a ‘senseless’
subjective process – becomes itself by undertaking the construction of an
‘objective’ and moral universe of meaning. In doing so, it transcends its
biological nature. It aligns itself with an elementary layer of meaning
corresponding to the concept of religion, if the transcending of the biological
nature through the human organism can be described as a religious phenomenon.” (Thomas Luckmann, Die
unsichtbare Religion, Frankfurt am Main 1991, p. 85f.)
[39] “The things have gone, gone away – where? What
has been set up in their place? The things are as long gone and nonetheless
they have never been as things. As
things – their essence has never properly come to light and been
preserved.” (Martin Heidegger, Bremer
und Freiburger Vorträge, vol. 79 of the GA, ed. by P. Jaeger, Frankfurt am
Main 1994, lecture: “Das Ding”, pp. 5-23, here: p. 22f.)
[40] Vilém Flusser, Vom
Subjekt zum Projekt. Menschwerdung, Frankfurt am Main
1998.