Verdinglichung
als Selbstverwirklichung? Progressive Waren als Subjektformen im Nachgang
Marxens und Prokops
Bernd Ternes
Abstract
Es wird behauptet, dass zwischen dem kulturell
bestimmten Selbstverständnis „einer sozialen Lebenswelt und einer Selbstverdinglichung
unter Kategorien zweckrationalen Handelns und adaptiven Verhaltens“ (Habermas 1969, S. 81f.) eine neue, negativ-dialektische,
vielleicht gar exzentrisch-paradoxe Beziehung eingezogen ist. Das ist,
zugegeben, sehr kompliziert und als Behauptung reichlich ungedeckt.
Prolegomena: Worauf es hinauslaufen soll
So wie eine nachmarxistische Gesellschaftstheorie den
bei Marx definitiv nicht gesellschaftspenetrierenden
und nicht mit dialektischer Spannung ausgestatteten Gesellschaftssystembereich
sprachlicher Reproduktion und Verständigung („Überbau“) mit derjenigen
Kraft ausstattete, die Marx nur im Bereich der Kräfte innerhalb der
Arbeits-Produktion im Rahmen einer politischen Ökonomie lokalisierte, soll hier
nun eine modifizierte Version ebendieser Kraft gerade dort ausgemacht werden,
wo letztlich nur Verdinglichungs- und Lebensweltentkopplungsprozesse
registriert werden: in der technisierten Lebenswelt und in den entsprachlichten Kommunikationsmedien.
Während eine phänomenologisch orientierte Gesellschaftskritik
die Alternative zur Technik in einer Handlungsstruktur verortet, die als
symbolisch vermittelte Interaktion im Unterschied zum zweckrationalen Handeln
sich nicht umstandslos Herrschaftskriterien
subsumiert, scheint es heutzutage eher angebracht, die theoretische Perspektive
auf die Verschmelzung, zumindest auf die interpenetrative
Form von symbolisch vermittelter „Interaktion“ und technologisch formierter
Kommunikation zu lenken.
Während die Habermas’sche
kritische Theorie Technik, Technologie und Steuerungsmedien innerhalb sozialer
Lebenswelt eindeutig auf die Objektseite placierte und ihnen erst eine
gesellschaftspolitische, -theoretische Dignität zu verleihen imstande war, wenn
sie in ihren Entstehungs-, Geltungs- und Begründungsdimensionen kommunikativ-handelnd und reflektiert eingeholt
(angeeignet) worden sind, ist man heutzutage eher geneigt, Technik, Technologie
und Steuermedien in einem „Dazwischen“ zwischen Subjekt und Objekt anzusiedeln,
also als Quasi-Objekte, „subjektive Objekte“, vielleicht gar schon als „Nobjekte“ zu konzeptualisieren, die in ihrer Funktions-, Wirkungs-
und Ermöglichungsarchitektur grundlegend auf „Interaktion“ (allerdings als „Warenform“),
auf soziable/ soziale und nicht allein
instrumentelle Nutzung ausgelegt sind.
I Marx
Wenn von Sozialpsychologie des Kapitalismus die Rede ist,
dann scheint mir immer noch sinnreich, an den Stellen emanzipatorischer resp.
revolutionärer Theorie das Nachdenken ausgehen zu lassen, die aus heutiger
Sicht je nach Temperament unstimmig geworden resp. entsetzlich sind – aber
gleichsam und weiterhin virulent, nämlich die Entscheidung der Meisten für
Unterdrückung und nicht für „Befreiung“. Betrachtet man Marxens Einlassungen
zur „Mechanik“ des Überwindens kapitalistischer Vergesellschaftung, ist ohne
Zweifel davon auszugehen, dass neben den »materiellen Bedingungen« für eine
neue Gesellschaft, die wenigstens schon im Prozess des Werdens sein müssen, gleichsam
und zudem theoretisch gleichwertig auch noch die kulturellen Bedingungen hinzutreten müssen,
die ebenfalls schon im Prozess ihres Werdens sein müssen, damit die neuen
Aufgaben, die neuen Lösungen und die neuen Gestalten, in denen die Paradoxien
der Vergesellschaftung auftreten, überhaupt bemerkbar und transformierbar
werden können. Das bedeutet zugespitzt: Marxens Begriff von den materiellen
Bedingungen ist für heutige Verhältnisse zu eng, weil er in diesen materiellen
Bedingungen nicht die kulturellen unterbrachte und damit ignorierte, dass eine
im Umbruch befindlichen Gesellschaft sich neue Herausforderungen auch kulturell
aneignen muss.
So gilt etwa folgende Unterscheidung heute nur noch
eingeschränkt: »Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellen
dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in
dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihre
eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz; die
zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht
und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz.« (Marx/Engels, MEW, Bd. 2,
S. 37)
Noch deutlicher wird das an der Stelle, an der Marx und
Engels auf die sogenannte Aneignung »einer Totalität
von Produktionsinstrumenten« kommen, die sie mit der »Entwicklung einer Totalität
von Fähigkeiten in den Individuen selbst« gleichsetzen
(Marx/Engels, MEW, Bd. 3, S. 68). Damit diese Aneignung
passieren kann, muss unter anderem diese Bedingung erfüllt sein: dass nämlich
»das Proletariat alles abstreift, was ihm noch aus seiner bisherigen Gesellschaftsstellung
geblieben ist« (ebd.). Denn die große Industrie habe eine Klasse geschaffen,
»die wirklich die ganze alte Welt los ist und zugleich ihr gegenübersteht« (ebd.,
60).
Offenbar ist hier die Vorstellung des Abstreifens zu
mechanisch-revolutionär gedacht, zu strikt mit den nun schon bekannten
materiellen Bedingungen wie auch mit der Herausbildung eines
Klassenbewusstseins verkoppelt – indes ist sie nicht verkoppelt mit dem
Gedanken, dass dieses »Abstreifen« erst gelingen kann, wenn die neue
Gesellschaftsstellung des Proletariats zuvor auch kulturell übergestreift, also
in eine eigenständige, selbst angeeignete Form des Gebrauchens, Bedeutens und
Benutzens übersetzt worden ist, wenn also die antagonistische Form des
gesellschaftlichen Produktionsprozesses auch kulturell eingeholt worden, d.h. tradierbar
ist. Und das würde theoriestrategisch bedeuten, den Kapitalismus nicht mehr nur
im Rahmen der polit-ökonomischen Analyse in den Blick zu nehmen, sondern diese
Analyse um eine kulturelle Analyse zu erweitern – vergleichbar Marxens
Unterfangen, die bürgerlichen Horizonte der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
aus ihren privatistisch-idealistischen Fassungen zu
evakuieren und sie erweitert zu materialisieren, historisch zu materialisieren.
Damit aber erweitert sich auch der Blick auf den
Kapitalismus selbst: ihn als Kultur zu denken wäre nun die Herausforderung für
das Denken – etwas, was Marx wohl nie in den Sinn gekommen wäre, da für ihn der
Kapitalismus maximal zivilisatorische Kräfte zu entfalten wusste, aber keine
kulturellen.
Kommt es einem in den Sinn, dann würde Kultur, besser:
würden Kulturen damit Eintritt erhalten in das Ensemble von Begriffen, deren Funktion
es bisher war oder ist, Widerspruchs- und Widerstandspotenziale gegen eine
entfremdende, verdinglichende, ungerechte, alles Sinnliche auslöschende Warentauschgesellschaft
zu repräsentieren und kenntlich zu machen, also Begriffe wie Gebrauchswert,
Proletariat, Geschichtssubjekt. Claessens und Claessens (1979, S. 133) haben darauf aufmerksam gemacht,
dass der Kapitalismus im Zuge seiner gewaltsamen Durchsetzung schwach war »im Aufbau
neuer, dem Menschen in seinem Verhalten helfender Institutionen«. Viele Bräuche,
Rituale, Geselligkeitsvorstellungen, »seelische« Überzeugungen wurden aus der
vorkapitalistischen Zeit mit in die neue Zeit (ebd., 147f.) hineingenommen,
weil die neue kapitalistische Wirklichkeit selbst noch keine entlastenden, orientierenden,
kultivierenden Formen der sozialen Beziehung ausgebildet hatte. Das Neue war nämlich,
dass nun die Gesellschaft als Ganze in den Prozess des Marktwerdens eingespannt
wurde – und für diesen Prozess stand kulturell zumindest ab den 1850er Jahren
nur eine Ressource zur Verfügung, nämlich disziplinierter Fleiß.
Fleiß als einzige Ressource ist, wenn man es so konturiert
sagen darf, bisher in den hochkapitalistischen Gesellschaften nur in einer Form
kultiviert und gefördert worden: nämlich im Bereich des hochorganisierten
sportlichen Wettbewerbs. In sportlichen Aktivitäten und Inszenierungen wurde
und wird die kapitalistische Grunderfahrung der
Konkurrenz kulturell eingeholt, kulturell übergestreift – indes: nur sportlich,
also nur den körperlichen Kampf und körperliche Kräfte betonend, nicht
kommunikativ.
Diese beschränkte Kultivierung eines dem Kapitalismus
selbst entsprungenen kulturellen Merkmals, also das weiterhin bestehende
grundlegende kulturelle Organisationsdefizit lässt sich jedoch, so die These
hier, für den heutigen Stand des Kapitalismus nicht mehr uneingeschränkt
diagnostizieren. Dass die Gesellschaft von Verkehrs- und
Kommunikationstechnologien, von neuen so genannten Technokulturen, von einer so
genannten Populärkultur durchdrungen ist, könnte Anzeichen dafür sein, dass der
Kapitalismus längst in eine Phase eingetreten ist, in der das
kulturell-kommunikative Überstreifen im vollen Gange ist, und zwar mit allen
negativen, katastrophalen, zerstörerischen Momenten versehen, die eine
ausgewiesene Kulturkritik zu benennen weiß (Stichwort: »Kulturindustrie«; Horkheimer/Adorno 1997, Bd. 3, S. 141-191), aber auch mit
Momenten, die nicht mehr eindeutig unter das Diktum »Aufklärung als
Massenbetrug« (ebd.) fallen, weil sie womöglich zu neuen Kulturtechniken führen
können.
Kurzum: Wenn die Annahme richtig ist, dass die bürgerliche
Revolution nicht überall mit der Vergangenheit Tabula rasa gemacht hat und
daher viele wichtige Elemente des »vorbürgerlichen ›Überbaus‹ stehen gelassen
und sich einverleibt« hat (Flechtheim/Lohmann 1991, S. 52f.) – dann könnte es
zumindest plausibel sein, in der Medien-, Informations- und
Kommunikationstechnologie heutiger Tage die materieller Bedingung für eine
kulturelle Aneignung und Verwirklichung des »bürgerlichen Überbaus« zu sichten
(übertreibend und pointiert gesagt: erst die Open Source-Bewegung
realisiert im Bereich der Kommunikation Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit); eine kulturelle Aneignung oder Überstreifung, die erst noch
vollzogen werden muss, um dann das so Erreichte wieder abzustreifen.
In einem Brief an Arnold Ruge
(September 1843; MEW, Bd. 1, S. 343-346) kommt Marx
darauf zu sprechen, dass er Kommunismus nicht als
dogmatische Abstraktion verstehe, ihn vielmehr als etwas wirklich Existierendes
im Sinn habe. Dieser Kommunismus sei nicht identisch mit der Aufhebung des
Privateigentums, da der Kommunismus »selbst nur eine besondre, einseitige
Verwirklichung des sozialistischen Prinzips ist« (ebd., 343). Marx fährt fort: »Und
das ganze sozialistische Prinzip ist wieder nur die eine Seite, welche die
Realität des wahren menschlichen Wesens betrifft. Wir haben uns ebensowohl um die andre Seite, um die theoretische Existenz
des Menschen zu kümmern […]« (ebd.). Gegen Ende des Briefes wird es dann
zentral: »Unser Wahlspruch muss also sein: Reform des Bewusstseins nicht durch Dogmen,
sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewusstseins
[…]. Es wird sich dann zeigen, dass die Welt längst den Traum von einer Sache
besitzt, von der sie nur das Bewusstseins besitzen muss, um sie wirklich zu
besitzen. Es wird sich zeigen, dass es sich nicht um einen großen
Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die
Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, dass
die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewusstsein ihre alte
Arbeit zustande bringt.« (Ebd., 346) – Dieses »Bewusstsein-Besitzen« von einer
Sache muss also durch ein kulturelles Aneignen einer Sache ergänzt werden; und
zwar im gesellschaftlichen Maßstab, nicht im privat-individuellen.
II Brückner
Das folgende wird eher einem Traum von einer Sache gerecht
denn einem Bewusstsein. Es ist der Traum, dass mit den telematischen
Abstraktionen und Rekonkretionen sozialer Beziehungen
die Arbeit einer wirklichen Aufhebung des kapitalistischen Regimes noch unter
Strom steht, nicht mehr eindeutig durch eine Ausweitung „reiner“ Produktivkräfte,
sondern durch eine ebensolche der Kommunikationskräfte, die zwar weiterhin der
abstrakten Arbeit Frondienste leisten, indes als konkrete Arbeitsformen
Potential zur Inversion besitzen.
Besonders Engels sah Ende des 19. Jahrhunderts die
Ausweitung der Produktivkräfte im Kapitalismus technisch zwingend angelegt; und
damit gleichsam zwingend die Abnahme etwa der kapitalistischen Kontrolle über
die Art und Weise der Verwendung von Elektrizität (was sich z. B. dahingehend
bewahrheitet hat, dass noch bis in die heutigen Tage hinein die Stromversorgung
umgreifend durch den Staat verantwortet wird; allerdings mit abnehmender
Tendenz).
Gleichsam gilt: Trotz dieses Glaubens an die den
Kapitalismus verneinenden Kräfte der Wissenschaft und Technik bleibt der
Prozess zwiespältig, ambivalent, widersprüchlich; ein Prozess, der sich dadurch
auszeichnet, dass das, was zu einer positiven Aufhebung der Verhältnisse
beiträgt, innerhalb dieser Verhältnisse nur zur Destruktion führt. In der
Deutschen Ideologie heißt es etwa: »In der Entwicklung der Produktivkräfte
tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel
hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil
anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte
(Maschinerie und Geld)«. (Marx/Engels, MEW, Bd. 3, S. 69.)
Diese Sichtweise, erweitert und auf die Realien des 20.
Jahrhunderts bezogen, findet sich auch in Peter Brückners Sozialpsychologie des
Kapitalismus wieder – allerdings, so meine Sichtweise, mit einer starken
Gewichtung der ambivalenten, gar dialektischen Anteile innerhalb der
Destruktion. Sein Blick gilt einer Situation, in der die
Produktionsverhältnisse nicht mehr am Potential der entfalteten
Produktivkräfte gemessen werden können, weil „sich die bestehenden
Produktionsverhältnisse als die technisch
notwendige Organisationsform einer rationalisierten Gesellschaft präsentieren“ (Habermas)
– und damit scheinbar oder anscheinend dies Potential verkümmert.
Brückner (2004, S. 43ff.) diagnostiziert in den
sozialstaatlich stabilisierten kapitalistischen Gesellschaften die Entfaltung
eines Lebensrahmens, in dem „den Individuen, Kollektiven, Teilpopulationen ein
Stück Orientierung an internalisierbaren oder
symbolisch repräsentierten Werten, Normen und Codices und sogar ein Stück
Disziplinierung gleichsam erspart oder abgenommen wurde“ (ebd., 43). Diese
Vergesellschaftung von Kontrolle statt Disziplin und von indirekter statt
direkter Beobachtung erzeuge, so Bruckner, „in großem Umfange äußerlich,
organisatorisch, technisch Formen des übereinstimmenden Verhaltens“ – und zwar
so, dass es auch ohne ordnungspolitisches „Zutun der Staatsbürger konform, geregelt
und affirmativ zugeht“ (ebd.). Das gelte für alle Bereiche gesellschaftlichen
Lebens, also für die Produktion, die Ausbildung, die Bürokratie, die Verrechtlichung und auch die Technisierung des Alltags, die
Verbreitung des Fernsehens, die Ideologisierung der öffentlichen Meinung.
Bruckner: „Das funktionierende Gesellschaftssystem ist sehr weit verregelt und
steckt voller Abhängigkeit seiner Subsysteme […]. Das Bewusstsein wird als
bloßes Durchgangsmoment in die Schaltung verselbstständigter Apparate
eingespannt; Bewusstsein und Orientierung der Menschen werden ein Stück weit
entbehrlich und machen sich nur zu oft als ‚Sand im Getriebe’ bemerkbar (ebd.,
43f.). Damit kommt Bruckner zu seiner Kernthese betreffs inversiver
Effekte einer tatsächlich statthabenden gesellschaftlichen Exklusion.
„Wo Verhalten gewaltlos zwangsgeregelt wird, verringern sich Stör- und
Konfliktzonen in der Weise, dass Affektbeträge, Stimmungslagen und Bedürfnisse
nicht mehr zureichend in sozialem Handeln, in Interaktion und Kommunikation
entäußert werden. Sie können, einmal von der Entäußerung ein Stück weit
ausgeschlossen, nicht mehr „sozial reifen“, bleiben oder werden roh. Diese
partielle Dissozialisierung der Affekte, Bedürfnisse
usw., namentlich angesichts der allgemein verringerten Nötigung, sich
selbsttätig oder in Kommunikation mit anderen zu orientieren, konstituiert „mit
einem Male“ unterhalb der Koordination und Regelung des Lebensflusses eine
wachsend nicht-sozialisierte und a-soziale Psyche“
(ebd., 44). Bruckner fasst diese Abspaltung, Deprivation und Depravation auf
als Effekte einer „zu weitgehenden bewusstseinsfernen ‚technokratischen’
Organisation des sozialen Lebens“ (ebd., 45). Doch genau an dieser Stelle – und
damit beende ich das Paraphrasieren – findet Bruckner ein spekulativ-utopisches
Moment wirksam. Denn unter der Voraussetzung, dass der Klassencharakter der
Gesellschaft sich „erneut“ manifestierte, sei die Möglichkeit gegeben, dass
sich unten den technokratisch organisierten Menschen etwas verändert: das „Nicht-Sozialisierte
der Psyche [lässt sich] nach vernünftigen Prinzipien solidarisch organisieren
und wird dann ansatzweise zu revolutionärer
Energie. Die psychischen Systeme werden ‚heiß’“ (ebd.). Und dann führt Brückner
ein retardierendes Moment ein, das es zu beachten gilt. Er schreibt: „Nach dieser
Auffassung müssen im Umfeld solcher
Veränderungen zugleich anarchoide Erscheinungen sich
häufen, die gegenkulturell sich aus der Gesellschaft entmischen:
Hippies, Gammler und Subkulturen des Hasch. Noch schleppt das
Gesellschaftssystem des Spätkapitalismus eine Fracht des Elends durch seine
Geschichte, die vielfach nur im Elend der parzellierten Subkulturen oder in der
Privatheit vieler Einzelner aufbrechen kann“ (ebd.).
Wie kann man, lässt man das konkret Zeittypische beiseite,
diese Einschätzungen 30 Jahre später anlegen? Kann man sagen, dass auch heute
ein immer größer werdender Teil der Population der Möglichkeiten beraubt ist,
ihre Erfahrungen sozial reifen zu lassen, ihre Bedürfnisse im öffentlichen Raum
experimentell zu artikulieren?; kann man sagen, dass weiterhin viele (und ich
meine damit nicht zuvörderst das „tote Humankapital ohne Rendite“, wie es die
Deutsche Bank einmal formulierte) eine a-soziale Psyche ausbilden, in
filigranen Technologisierungen und damit Verdinglichungen ihrer Sinnesvermögen
Erfüllung zu finden meinen? Kann man behaupten, dass auch heute heiß werdende
psychische Systeme im Rahmen einer symbolisch gelockerten Kontrolle und
gleichzeitig technologisch rigider werdenden Regelung durchaus ansatzweise
revolutionäre Energie entfalten könnten, bis jetzt aber nur insular, isoliert
und privativ sich auf den Monitoren der
gesellschaftlicher Praxis zeigen? Kurzum: Ist die avancierte
Kommunikationstechnologie heutiger Tage das Zusichkommen eben der
technokratischen Organisation des sozialen Lebens, von der Brückner sprach?
Und: Entmischt sich da etwas aus der Gesellschaft?
III Prokop
Es scheint hier angebracht, auf die Hilfe von
Überlegungen Dieter Prokops zurückzugreifen, um der Beantwortung etwas näher zu
kommen. Mit seinem Essay „Freiheitsmomente der Warenform. Negativ-dialektische
Theorie der Kulturindustrie“[1]
soll im Groben skizziert werden, wie die Idee der Freiheitsmomente in der
Warenform und mit der Warenform zu verbinden sind mit Vorstellungen, die Kommunikationstechnik
als Generator sozialer Intensität des In-, Mit- und des noch schwach
vorhandenen Gegenüberweltseins. Zugleich soll damit ein Weg gebahnt werden, mit
Marcuse gegen den Marcuse des „eindimensionalen Menschen“ argumentieren
zu können – also so, dass weiterhin mit Blick auf die „objektiv“ überflüssige
Repression in der intensivierten Unterwerfung der Individuen unter den
ungeheuren Produktions- und Verteilapparat (Marcuse) doch und gleichsam
Freiheitsmomente in der gegebenen Formation von Technologie zu
detektieren sind, und nicht erst in einer ganz ‚anderen Technik’, die sich bis
jetzt sozial- und mentalitätshistorisch noch nicht habe zeigen können.[2]
Die Frage lauten, ob die „neue“ Dimension sozialer
Beziehungen, die sich innerhalb der neuen elektronischen Kommunikationstechniken
als zunehmende Warenwerdung des Kommunizierens selbst zeigt – das social web als Umwelt der Werbebotschaften;
eine Wiederholung der sozialökonomischen Architektur des Privatfernsehens –, zu
verbinden ist mit Kluges/ Negts Vorstellungen eines „politischen
Rohstoffs“ (Kluge/Negt 1992, S. 22f.) resp. zu
verbinden ist mit der Vorstellung, dass mit den neuen Praktiken des
Kommunizierens manifeste Formen des Latenten der Gesellschaftsgeschichte
zumindest touchiert werden. Es geht dabei um einen erneuten Versuch des
Kurzschließens von
– Eigenlogiken der Apparate (technisch, sozial,
politisch) mit den Eigenlogiken der vergessenen, historisch abgesunkenen
Prozesse des vorangegangenen Tuns; um das
Kurzschließen von
– potenziell und reell bestehenden Motiven,
Absichten, Verantwortungen und Abwesenheiten gesellschaftlich wirksamer (bewusster
und unbewusster) Interessen, Gefühle, Ängste und Proteste mit den neuen
Formatierungen der kommunikativen Expression, Verlautbarung und auch Negation ;
sowie schließlich
– um eine mögliche Synthese der ‚neuen’
Kommunikationsapparate und der in ihnen sich bildenden ‚neuen’ Warenform für
soziale Beziehungen mit einem „Rohstoff des Politischen“, nun allerdings in der
Dimension der menschlichen Sozialanthropologie (und nicht nur in der
gesellschaftlich möglichen politischen Öffentlichkeit).
Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass die neuen
Formate und Formen, in denen sich der sozialanthropologische Roh-, Treib- und Bedürfnisstoff
namens Nähe gesellschaftlich vermittelt, als Warenformen, die sie sind,
Freiheitsmomente beinhalten, die in ihrem Intensitätsvermögen dazu beitragen, dass
die technogene Nähe-Formatierung durch Elektronik mehr
als nur Entlastung für die genuin sozialinteraktiven und sozialintegrativen
Formate gesellschaftlicher Nähe bringt (Familie, Partnerschaft, normgeregelter
sozialer Umgang, ausgerichtet durch Not, Verpflichtung, Schuld, rationaler oder
religiöser Motivation), sondern sich vielmehr herauszustellen vermag als
dasjenige Maß- und Formverhältnis, das dem Stoff namens Nähe(bedürftigkeit des Menschen) für den jetzigen soziohistorischen Stand der Vergesellschaftung ko-evolutiv am nächsten ist.
Am-nächsten-Sein bedeutet hier,
immer bezogen auf die Grundproblematik der Erörterung technogener
Nähe: Bedingungen zur Ermöglichung einer Erarbeitung der Fähigkeit
bereitstellen, um „zum Organisieren großer Populationen und den sich
unvermeidlich ergebenden Komplikationen ein direkt emotionales, d.h.
unmittelbar motivierendes Verhältnis zu finden“ (Claessens
1993, S. 17) – etwas, was weder der Religion, der Vernunft, der Nation, der
Literatur, der Broadcast-Telekommunikation, den Musen,
dem Konsum allein gelungen ist.
Dieses Am-nächsten-Sein
könnte durch eine negativ-dialektische Erörterung des Nichtidentischen an der
kommunikationsindustriellen Warenform des social
web und des mobile web aufgezeigt werden, was hier allerdings nicht
ausgeführt werden kann. Vorlage dafür bilden Dieter Prokops
kritisch-theoretische Bemühungen, an der kulturindustriellen Warenform als
solche ebendies plausibel zu machen. Kern dieser Bemühungen ist die Plausibilisierung folgenden Sprungs: des Sprungs weg von
einer politökonomischen Sichtweise, in der die Produktionsverhältnisse nicht
mehr am Potential der entfalteten Produktivkräfte gemessen werden können, weil „sich
die bestehenden Produktionsverhältnisse als die technisch notwendige
Organisationsform einer rationalisierten Gesellschaft präsentieren“ (Habermas 1969, S. 51), und hin zu einer
‚sozialökonomischen’ und ‚sozialanthropologischen’ Sichtweise, in der die
technischen Kommunikationsverhältnisse notwendigerweise eine Organisationsform
annehmen, in der die ‚Kommunikativkräfte’ mehr denn je Einfluss auf die
Kommunikationsverhältnisse ausüben und diese ‚zwingen’, sich an den Potentialen
der Kräfte zu orientieren.
Dieser Sprung setzt voraus, dialektische, zumindest inversive Kräfte in der erneuten Refiguration
und Rekonstruktion der Präsentation einer rationalen Gesellschaft durch die
vergesellschaftete und vergesellschaftende Elektronik zu vermuten – und damit
Brüche in der scheinbaren Deckungsgleichheit von Produktionsverhältnissen und
technisch-notwendiger Organisationsform der Gesellschaft.
IV Warenform
„Es versteht sich, dass die Aufhebung der
Entfremdung immer von der Form der Entfremdung aus geschieht, welche die herrschende
Macht ist“ (Marx, MEW, Bd. 40, S. 553)
Von der Warenform sozialer Beziehungen zu sprechen
baut auf der Absicht auf, Technik und Kultur nicht ausschließlich als in einem
sich ausschließenden Verhältnis stehend zu denken. Diese Widerspruchs- oder
Antagonismusfigur leitet sich natürlich ab von abstrakteren Mustern, wie sie
mit „Produktionsverhältnis versus Produktivkräften“, „Tauschwert
versus Gebrauchswert“, „abstrakte Arbeit versus konkrete Arbeit“, „reine (identische) Wertform versus unreine (nichtidentische) Wertform“ im Rahmen nicht
nur des Historischen Materialismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts, sondern
auch in der kritischen Theorie seit den 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts als
Erklärungs- und Kritikleitdifferenzen zum Einsatz gekommen sind.
Die Option für die Ergänzung der
Verdinglichungskritik ruht auf der Annahme, dass die positive Bewertung des
Internets betreffs der Ermöglichung und Formatierung sozialer Beziehungen nicht
selbst schon Ausweis eines verdinglichten Bewusstseins ist. Diese Annahme
allein wäre indes nicht hinreichend genug, um den Verdacht zu widerlegen, man
betreibe schlicht „Schönfärberei“. Es braucht daher zusätzlich eine plausible,
zumindest partielle Rekonstruktion der bisherigen Kritikarchitektur, die
theoretisch fundamentiert, dass nicht alles an expliziter, stattfindender
gesellschaftlicher Realisierung sowohl der kapitalistischen Vergegenständlichung
als auch der Vergesellschaftung von Verdinglichung subsumiert werden kann.[3]
Dass es eine „Lücke“ in der referenzierten
Kritiklinie bezüglich der kapitalistischen Vergesellschaftung gibt, die eine
Ergänzung theorieimmanent ermöglicht: darauf hat immer wieder Dieter Prokop
abgehoben. Er richtet seine Kritikergänzung mit folgender These aus:
„Ich behaupte: Alle Waren sind gegenüber der
absolut identischen Ware, dem Geld, das Nichtidentische, also ein Ort lebendiger
und zu einem noch näher zu bestimmenden Teil auch kreativer Prozesse – ein
Nichtidentisches, das sich allerdings erst durch das Identische hindurch
entwickelt – und zugleich stets von jenem bedroht wird.“ (Prokop 2003, S. 131)
Kritisch theoretisch gefasst stellt Identität im
Denken das Verhältnis des Denkenden zum Identifizierten in der
Subjekt-Objekt-Form her. Das Identifizierte verliert früher oder später seinen
Eigensinn und Eigenwert, um als kommensurabel Gemachtes den Kontroll-,
Herrschafts- und Angstbedingungen des Identischen zu gehorchen. Identität im
Denken der Kulturindustrie, so Prokop, wurde in der kritischen Theorie
maßgebend mittels der Herrschaft des Tauschwerts und des Fetischcharakters der
Ware über die reelle Gebrauchsdimension thematisiert, jedoch nicht mit dem
Begriff der Tauschabstraktion. „Abstraktion ist sowohl im Geld als Reinform
enthalten als auch in den Waren. Was den Unterschied von Geld und den Waren betrifft,
muss man zwischen Inhalt und Form unterscheiden: 1. In Bezug auf den Inhalt
des Werts sind Geld und Ware unterschiedlich: Geld bleibt immer Geld. Waren
werden konsumiert. 2. In Bezug auf die Form – die Struktur – des
Werts sind Geld und Ware gleich. Bereits die Wertform der Ware – die Struktur
ihrer Verkaufbarkeit – enthält jene Abstraktion, die das Geld dann in Reinform
verkörpert. Sowohl der sachliche Maßstab – gesellschaftlich durchschnittliche
Arbeitszeit – als auch der auf dem Markt sich ergebende Maßstab – Preis –
impliziert abstraktes, quantitatives Denken, enthält als die Wertform“ (ebd.,
S. 132).
Mit dieser Unterscheidung möchte Prokop einen Weg
bahnen, der ihm erlaubt, zum einen nicht unabdingbar auf die Dimension des „guten
reinen“ Gebrauchswerts abheben zu müssen, um Freiheitsmomente in der Warentauschgesellschaft
zu detektieren, und der ihm erlaubt, zum andern die Warenform als solche nicht
pauschal zu verdammen. Die von ihm referierten Kritiklinien, so der Autor,
ignorierten, „dass das eigentlich Lebendige in den Waren selbst geschieht: Sie
sind zwar mit der perfektesten Warenform insofern identisch, als auch in ihnen
die Wertform und damit die Tauschabstraktion sitzt – doch sind sie zugleich, da
sie jene nicht so perfekt verkörpern wie das Geld, das Nichtidentische zum Geld“
(ebd., S. 133).
Prokops Verweis führt indes keine positiv-konstatierende
Bewertung im Schilde, sondern soll auf ein Manko bisherigen kritischen Denkens
hinweisen, denn: „Seitens der Kulturindustrie-Kritik fand keine Fühlung mit
den Gegenständen der Kulturindustrie statt. Was die Sache von sich aus sein
möchte, wurde nie überlegt“ (ebd., S. 141). Erkenntnis über Kulturindustrie,
die weder „Nachkonstruktion“ (positivistische Geschichtsschreibung) noch „Technik“
(social engineering) sein
möchte, stehe also noch aus, so sie der Forderung Adornos folgen möchte. Prokop
begründet die theoretische Dignität einer nachspürenden, ‚tuchfühlenden’,
begrifflich-gestischen Suche nach dem Eigensinn kulturindustrieller Waren so:
„Selbst wenn Kulturindustrie die aufklärende
Aufklärung der Bevölkerung nicht schafft [...], muss sie in ihrer materiellen
Struktur Elemente enthalten, die, wenn von ihren Fesseln befreit, Aufklärung
ermöglichen würden. So wie die kritische Theorie an der Aufklärung deren kritische
Rationalität – das Interesse an objektiver Vernunft – retten wollte, muss sie
Elemente einer kritischen (rationalen? vernünftigen?) Kulturindustrie
suchen. Erst dann gäbe es eine ernst zu nehmende kritische Theorie der
Kulturindustrie“ (ebd., S. 142).
In dieser Industrie wird Nähe, d.h.: Intensität der Beziehung, primär technologisch vermittelt, nicht mehr
primär menschlich vermittelt.
D.h.: Das Netz der telekommunikativen Beziehungen ist
vollständig indifferent gegenüber dem jeweiligen Nutzer[4]
– genauso indifferent, wie es das Geld, die Ware, das Recht gegenüber dem
Geldbesitzer, dem Konsumenten, dem Mitglied einer Rechtsstaatseinheit resp.
rechtlicher Institutionen ist. Das ist, könnte man sagen, an sich keine neue
Erkenntnis. Jede „erfolgreiche Evolution“ symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien
(wie auch der Funktionssysteme) fußt darauf, dass es bei der operativen Generalisierung
– idealtypisch – nicht mehr um den je Einzelnen, um das singuläre
Individuum als solches geht, sondern um das Abstraktum namens Individuum als
Effekt der Masse[5]. Im
Recht, in der Bürokratie, in den technischen Gestellen und Produkten, in der
Sprache herrscht reine Indifferenz gegenüber dem user
(Individuum, Bürger, Kunde) vor – dies jedoch nur um den epochemachenden
Preis der Herausbildung eines gesellschaftlichen Individuums, eines mit Rechten
ausgestatteten Bürgers, eines mit Geld bezahlenden Kunden. Und um den Preis, dass
die Teilnahme an diesem Tauschverkehr recht bald eine solche Notwendigkeit mit
sich bringt, dass die Nichtteilnahme sofort das Risiko der Exklusion
erhöht resp. zur Exklusion führt.
Kurzum: Jedes Systemischwerden bisher
sozialtechnologisch unkontrolliert und ereignishaft
prozessierender sozialer Beziehungen, also der Abhub eines Systems und damit
die Loslösung aus „sozialer Einbettung“ und den Erscheinungsweisen des sozialen
Bandes führt nicht nur zur Abstraktifizierung und
Differenzierung der Ereignisse sozialer Beziehungen (Verfahrensvorschriften,
Gesetzesbücher, Anspruchsregelungen, Dosierungen von Erwartungen an normative
Erwartungen, kurz: soziale Aktome), sondern auch zu
einer ebensolchen Abstraktifizierung der Elemente
sozialer Beziehungen – und das sind in der basalen Dimension,
nicht-systemtheoretisch betrachtet, immer noch: Menschen (abstraktifiziert
als: Mitglieder, Staatsbürger, Versicherte, Vertragspartner, Käufer,
Konsumenten, Besitzende, Besitzlose, Wähler, user
etc, kurz: soziale Aktanten/ Akteure). Die Konsequenz daraus ist eine Redeskription oder gar eine neue Semantik für das sowie
eine Rekonstruktion oder gar Revolution des sozialen Bandes einer Gesellschaft.
Die Abstraktifizierung der
sozialen Beziehungen als telekommunikative Beziehungen im Netz besitzt nun trotz
statthabenden Abzugs sozialer Entbettung, trotz stattfindenden
Abhubs von konkreten Lebenswelten eine Eigenschaft,
die sie von den bisherigen Abstraktifizierungs- und
damit auch Artifizialisierungsprozessen der
Gesellschaft (Popitz 1995) unterscheidet. Es ist dies
das in Ansätzen neu entstehende Realisieren einer Abweichung, Flexierung und teilweise schon Aufhebung des grundlegenden
Beziehungs- und auch Beschreibungsgefüges namens Individuum/ Gesellschaft.
In den bisher verlaufenden modernen Sozialtechnologien
der „Implementierung von Menschen“ (soziale Integration) in die Strati
funktionssystemischer, kommunikationsmedialer, letztlich: industrieller
Vergesellschaftung (systemische Integration) konnte und musste bei der
Ausfällung von massenhaft vergesellschafteten Einzelnen sowohl
zurückgegriffen werden auf Ressourcen gemeinschaftlicher, traditionaler, familialer, intimer und gar sozialstrukturaler
Organisationsformen – gemeinhin durch Kulturkompensationstheorien in den
Mittelpunkt der Kritik an der Moderne gestellt; aber es mussten auch die
Erfindungen der massenmedientechnologischen Revolution dazu ergriffen werden,
um neue Modelle der Repräsentation, Identifikation und Zugehörigkeit für
Millionen von Individuen (die „elektronische Masse“; Subirats
1996, S. 76-79) zu kreieren. Während der erste Ressourcenpool im Verlauf der
Modernisierung von Gesellschaft und Lebenswelt gegenwärtig kaum mehr auf
Tradition (außer der der Detraditionalisierung) und
allenfalls noch auf Familie (als Attraktor dezentrierter Nähekommunen) setzen kann, um das substanzlos
gewordene Individuum mit gemeinschaftlich gerahmter Intensität sozialen
Bezogenseins zu versorgen[6],
setzte der zweite Ressourcenkonstruktionspool auf den optimistischen Gedanken, dass
mit Radio, vor allem aber mit Fernsehen und Kino psychosoziale Tools zur
Verfügung stehen, um das jeweilige vereinzelte Individuum durch
medial-imaginär-visuelle anonyme Intensitäten an die Erfordernisse systemischer
Integration anzupassen.[7]
In der pessimistischen – andere sagen: realistischen – Sichtweise wird dieses
Zusammenspiel von konservativen und progressiven Bedingungen und Möglichkeiten
anders beschrieben: Eine elektronische „Masse Mensch“ entstehe rein negativ
durch den Zerfall der Bindungen, „die bisher die ethische Gemeinschaft
prägten. Diese Masse übernimmt das Erbe des Individualitäts- und
Charakterverlustes [...]: eine aus dem urbanen Zusammenhang gelöste, von den
traditionellen Kulturformen ausgeschlossene Menschenmasse; eine Masse, die in
den modernen, minimalen, architektonisch geplanten Wohnräumen und in den urbanistischen
Quarantänen der postindustriellen Riesenstädte isoliert ist. Aber vor allem ist
es eine Masse, die sich mit Hilfe der Mediencontainer und -highways
und als Teil ebendieser Behälter und elektronischen Kanäle herausgebildet hat.
Eine Masse, die von den metadiskursiven Instanzen des
Medienflusses hervorgebracht, definiert und kontrolliert wird.“ (Subirats 1996, S. 76)
Wie immer man es mit der Einschätzung der jeweiligen
Ressourcenpotentiale für eine psychokulturelle Einbettung der
Technikaneignung und für soziokulturelle Innovationen durch
Technikaneignung hält – der Abstraktifizierung
sozialer Beziehungen als telekommunikative Beziehungen im Netz, die gleichsam noch
im Sozialbeziehungs-Gestell Individuum/ Gesellschaft gerahmt sind und also die
Indifferenz „des Systems“ gegenüber „dem Individuum“ auf irgendeine Art invisibilisieren resp. augmentieren
müssen, stehen diese beiden Pools nicht mehr in der gewohnten Einwirkungs-
und Kompensationsweise zur Verfügung.
Das Telekommunikationssystem ist gegenüber der Herausbildung
von Funktions- oder auch Teilsystemen der Gesellschaft als eindeutiges großes
technisches System strukturell höher organisatorisch integriert – und es
besitzt die eigentümliche Abweichung, dass technische Artefakte innerhalb ihres
Gestells nicht mehr nur als Systemkomponenten betrachtet werden können, sondern
zusätzlich als Sozialkomponenten konfiguriert werden müssen; und zwar instantan.
Es geht heute um Selbstinszenierung ohne Selbst, um
ein neues Verhältnis zur eigenen sozialen Interaktionsrolle als
Verfügungsmaterial des Ereignisses namens Kommunikation, um die tauschbare,
sprich: digital kommunizierbare Produktion von Subjektivität („Gebrauchswert“)
zwecks Aneignung einer sozialen Adressabilität, die
auf den Monitoren der Zirkulation als Tauschwert erscheint. Es geht, um wieder
alte Begrifflichkeiten zu bemühen, um einen neuen, wenn auch erst rudimentär
manifestierten Stand der Produktion des Sozialen, bei dem die „konkrete Arbeit“
auf einer erhöhten Stufenleiter Leistungen der „abstrakten Arbeit“ zu übernehmen
hat – und dabei nicht wie sonst (phänomenologisch betrachtet) immanent kontradiktorische
Ereignisse zeitigt und immanent antagonistische Elemente voraussetzt, sondern
gezwungen ist, diese Kontradiktion, diesen Antagonismus, diese
Widersprüchlichkeit, kurz: diese Nichtidentität in der konkreten Arbeit der
Produktion von Abstraktion selbst noch der Indifferenz, der Kontingenz, der
Warenform der eigenen Adresse entreißen zu können. Die „Materialität“ der
Kommunikation in der elektronischen Vergesellschaftung ist nicht „das Andere“,
das „Subjektive“, das auf Systemimperative reagieren und sich schützen Müssende,
kurz: ist nicht mehr „die Umwelt“, sondern selbst Teil des soziotechnischen
Systems, selbst eingezogen in die inneren Produktionsbedingungen der „Technokommunikation“,
selbst Bestandteil eines Tauschsystems, das nur noch Unterschiede in der
Wertform zulässt und diese Unterschiede operativ realisiert. Hier könnte man
wieder sagen, das sei nicht sonderlich neu: Hat nicht auch Derrida an der
Spitze und der Strukturalismus in der Ebene am Korpus/ System der Sprache und
des Textes die selben Positionierungen für das Bezeichnete, den Bezeichnenden
nachzuweisen versucht – allerdings mit der hoffnungsfrohen dekonstruktivistischen
Aussicht auf eine unabschließbare „différance“
(Derrida 1990, S. 76-113)? Auch hier fällt das Neue der gegenwärtigen Abstraktifizierung durch elektronische Vergesellschaftung
erst dann auf, wenn der Systemdeterminismus durch die elektronischen
Kommunikationsverhältnisse und -technologien nicht mehr mit Topoi eines „Denken
des Außen“ (eben die différance, der Rest, der Überschuss,
das Inkompatible, die Geschichtszeit, der Körper etc.) dialektisch, dekonstruktivistisch oder ideologiekritisch unter Spannung
gesetzt wird, sondern tatsächlich als exzentrisch paradoxales,
operativ geschlossenes, immanentes System sozialer Beziehung verstanden
wird, in dem die sachliche und die soziale Beziehung ineins
fallen und gleichzeitig ihre Differenz operativ produzieren müssen. Und auch
hier kann man wieder sagen: Das ist nicht neu – und strukturell homologe
Gestalten des Paradoxen in der philosophischen Metapsychoanalyse Lacans und Žižeks resp. in der
Werdens-Philosophie Deleuzes bemühen. Dem ist diesmal
keine Perspektivenverschiebung zwecks Gewahrwerden des Neuen
hinterherzuschicken; vielmehr soll an diese theoretischen Vokabularien angeschlossen
werden, wenn es darum geht, das Verhältnis Individuum/ Gesellschaft in der
neuesten, hier zu betrachtenden Abstraktifizierungsphase,
eben der kommunikationstechnologisch dominierten, zu problematisieren. Wenn
nämlich der Gedanke der Immanenz richtig sein sollte als zu begreifender
Begriff der gegenwärtigen gesellschaftlichen Modelungsprozesse, dann kann, so
Dieter Prokop (2003, S. 142), die „Suche nach dem Nichtidentischen [..] nur
immanent geschehen“. Und da Waren nicht mehr nur innerhalb der Kulturindustrie,
sondern mittlerweile auch in der Kommunikations-, besser: Interaktionsindustrie
als Nichtidentisches in Bezug zur perfekten Wertform des Geldes operativ
eingesetzt werden (nämlich in Gestalt der interaktionsorientierten
kommunikativen Vernetzung von usern), gilt
auch für diese, wenngleich noch sehr erläuterungsbedürftig, die These Prokops: „Waren,
die die Wertform nicht rein verkörpern, können Strategien eigener
Identitätsdarstellung in ihrer Waren-Nichtidentität
entwickeln“ (ebd., S. 144).
D.h.: Meads evidenter Nachweis, dass „mind“ und „self“ eines jeden
einzelnen Individuums einem gesellschaftlichen (und nicht individuellem) Prozess
entspringt (Mead 1980, S. 273ff.), muss ergänzt werden durch den paradoxen
Hinweis, dass diese Produktivität des gesellschaftlichen Prozesses nun auch teilweise
den Individuen überantwortet wird – freilich unter der Bedingung, dass die
Beziehungsarchitektur von „Ich“ und „ICH“, also des Ich als sowohl
generalisierten Anderen wie auch als „Subjekt“, nicht mehr in klassischer Weise
zu einer Verschmelzung finden werden (Mead 1980, S. 320ff.)[8].
Den usern bleibt nur noch, sich selbst
in den sozialen Skulpturen des Me, Myself und I als Ware elektronisch zu
vergesellschaften, und das heißt: ihre sozialen Beziehungen, die ja seitens der
elektronischen Infrastruktureigentümer als Ware behandelt werden, zu entäußern
– und in der elektronischen Formatierung dieser Entäußerung selbst, in der
Datenzirkulation, in der graduellen und qualitativen Avatarisierung
(Jörissen 2008, S. 277-295) ihrer Sprech-, Zeichengebungs- und Interaktionsaktome
die jetzt abstraktifizierte Inkorporation, die abstraktifizierte Wiederaneignung, die abstraktifizierte
Verkörperung motivational zu registrieren: eben technogen, und nicht mehr ausschließlich schizophren
(gemeint sind die schizophrenen Maschinen, von denen Deleuze/
Guattari sprachen).
Wenn es stimmen sollte, dass auch der Daseinsbereich
der kulturellen, symbolischen, kommunikativen Reproduktion der Ware
Arbeitskraft nun zu einem Warenproduktionsmarkt geworden ist, dann bedeutet
Ware-Werden auf erhöhter Stufenleiter, also nach der Phase des
Wunschmaschine-Werdens und zusätzlich zum jahrhundertealten
Arbeitskraftware-Sein, eine Form von paradoxer Abstraktion (oder doch
abstrakter Paradoxie?), in der die Nichtidentität zwischen der Materialität „Nähe“
(Gebrauchswert „Reproduktion“: Freundschaft, Kontakte, Netzwerk,
Abwesenheitsinteraktion, „Freizeit“) und der Vergegenständlichungsform dieser
Nähe (operativer Tauschwert virtuelle/ digitale Datenzirkulation) am stärksten
und schärfsten offenbart wird. Diese elektronische Abstraktion traut sich am
weitesten vor innerhalb eines gesellschaftlichen Experiments, in dem – alte
Terminologie benutzend – der Gebrauchswert „Reproduktion“ beinahe sowohl
deckungsgleich mit dem Tauschwert Produktion erscheint, also auch: gar nicht
mehr erscheint!
Damit wird das Individuum als ein vergesellschaftetes
Wesen, das dauernd Anstalten zwecks Bestätigung und Anerkennung seines sozialen
So-Seins, seiner Einzigartigkeit, seines Ichs und
seiner Leistungen zu machen gezwungen ist, zusätzlich gezwungen, neben dem
Daseinsbereich der Arbeit seine soziale Identität nun auch in der „mitweltlichen“,
„individuelle“ Identität generieren sollenden Lebenswelt warenförmig zu
organisieren. Die im postmodernen Diskurs der 1980er und 90er Jahre theoretisch
und philosophisch ausgiebig zur Darstellung gebrachte Dekonstruktion des
Selbst (der Identität, des Geschlechts, des Bewusstseins etc.), oder kleinformatiger
gesagt: die Flexibilisierung des Individuums erzwingt also, neue „Adressen“ der
Selbstvergewisserung, der Zugehörigkeit, des sozialen Geteiltseins
aufzubauen[9]
– reell abstrakte soziale Adressabilität, die zwar
weiterhin mit einer großen Dosis an Selbstvergessenheit (Fortsetzung der tv-medialen Zerstreuung), an Entfremdung und Verdinglichung
konstruiert wird, aber doch im Schlepptau hat, nicht mehr nur noch über
gängige Formen der Identität, des Identifiziertwerdens,
des Repräsentierseins eine motivational wirksame Form
der Zu- und Mitgehörigkeit, also Nähe in und durch Abstraktion, zu ermöglichen.
Wie könnte das zu denken sein?
Prokop hat für den Bereich der TV- und
Musikkulturindustrie eine Liste der Strategien erstellt, die Waren nutzen
können für ihre Wertformdarstellung, also für ihre „Identitätsdarstellung in
der Nichtidentität“ (Prokop 2003, S. 152). Er unterscheidend dabei zwischen
opportunistischen und progressiven Waren-Strategien, beginnt aber mit einer
Strategie, die den Status des eingeschlossenen ausgeschlossen Dritten inne hat,
nämlich der „’Ich bin reine Naturalform, mit reinem Gebrauchswert, und sonst
gar nichts’-Strategie: Eigentlich ist das keine
Strategie, denn wenn eine Ware einen ordentlichen Gebrauchswert hat, verkauft
sie sich von selbst“ (ebenda). – Es ist diese Nichtstrategie-Strategie, die,
bezogen auf die Warenförmigkeit der elektronischen Interaktion im Netz, am
stärksten in den Blick der Analyse zu rücken sein wird. Dazu später mehr.
Unter den
opportunistischen Strategien zählt Prokop folgende auf:
„Die ’Ich bin
eben wie ich bin’-Strategie“;
die „’Ich bin Trash’-Strategie“;
die „’Ich bin als
Ware schön und das ist gut so’-Strategie“; und
die „’Marketing
ist alles’-Strategie“ (ebd., S. 152-154).
Zu den
progressiven Waren-Strategien rechnet er diese:
„Die ‚Ich bin die
Ware, diese Hure’-Strategie“;
die „’Ich
imitiere die Erfolgsware’-Strategie“; sowie
die „’Ich zeige, dass ich auf besonders attraktive Weise Wertform und
zugleich auf besonders attraktive Weise menschlich bin’-Strategie“
(ebd., S. 154-156).
Prokop schließt ab mit einer konzentrierten
Spekulation: „Diejenigen Waren, die am intelligentesten, fleißigsten,
professionellsten, bewusstesten und zugleich
menschlichsten sind, konkurrieren gegen das Geld, gegen die Tauschabstraktion als
die bessere Tauschabstraktion – mittels ihrer einzigen Möglichkeit, die sie
haben: die eigene Wertform perfekt zu gestalten, die immer noch an
Menschliches gebunden ist. Das ist ihre Stärke gegenüber der in reiner
Abstraktion erstarrten Wertform des Gelds“ (ebd., S. 156). Es geht, mit einem
Wort, um die Möglichkeit, in den so beschriebenen Warenstrategien die
Voraussetzungen einer „menschlicheren Abstraktion“ (ebenda) zu finden – und das
heißt, epistemisch gedreht: in den gesellschaftlichen
Abstraktionen und Abstraktifizierungen
Wirkmächtigkeiten auszumachen, die die sozioanthropologische
conditio humana zu modeln imstande sind. Technogene Nähe wäre solch eine menschlichere Abstraktion.
Es geht, abschließend gesagt, darum, in der
Ausweitung des Tauschwertverkehrs auf bis dato nach anderen, nicht hegemonial
ökonomisch strukturierten Regelkreisvorgaben sich organisiert habenden
Handlungs-, Kommunikations-, Empfindungs- und Beziehungsweisen der Menschen
eine paradoxe Öffnung und Schließung zugleich für möglich zu halten: eine
Horizontöffnung, durch die im sozialanthropologischen „Substrat“ des
vergesellschafteten Individuums eine Neujustierung seines motivationalen
Beziehungsvermögens zum Abstraktum namens Gesellschaft passieren könnte; und
eine welthistorische Schließung all der gesellschaftlichen Experimente und
Modelungen, die nicht auf warenförmige Vergegenständlichung, nicht auf
Wertäquivalenz, nicht auf tauschkompatible Vergleichbarkeit setzen zwecks Erkundung
dessen, was Gesellschaft und Menschen überhaupt sein können. Das bedeutet im Umkehrschluss,
auch dies sei nochmals genannt, auf den Daseinsbereich namens Arbeit als
soziologische, vor allem aber soziale Großkategorie für die Belange einer
freien, emanzipierten, Leid resp. unnötiges Leid vermeidenden, pazifizierten, nicht im Freund/ Feind-Denken steckenden
Gesellschaft zu verzichten; und auch auf den Daseinsbereich „der Kunst“ als
letzten Hort einer negativ-dialektischen Vernunft zu verzichten – beide Male contre cœur –; aber
auch jegliche wissenschaftlich-ideologische Vorstellung, in der die Menschen
als in „ihrer“ Tradition, Ethnie, Ritus, Religion,
Genetik und auch Sprache „verwurzelte“ ausgewiesen werden, rigoros
zurückzuweisen.
Weil die Frage nach den Grenzen der Affirmation der
gegenwärtigen Phase kapitalistischer Vergesellschaftung in Gestalt der
elektronischen Kommunikation zwecks Ausschau nach Momenten, die im Term der technogenen Nähe dem kritischen Impuls der Befreiung von
Herrschaft, Fetischismus und der Reetablierung von
Solidarität Treue hält, mehr als brisant und in weiten Teilen der
wissenschaftlichen wie auch feuilletonistischen Öffentlichkeit der Häme
ausgesetzt ist, beende ich meinen perforierten Vortrag hier, um der Kritik
zuhören zu können. Danke!
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[1] Siehe: Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 16/
2003, S. 131-159. Im Inhaltsverzeichnis besitzt der Essay allerdings einen
anderen Titel: „Freiheitsmomente kulturindustrieller Warenform: Identitätsdarstellung
in der Nichtidentität“. Siehe vom Autor auch Massenkultur und Spontaneität. Zur veränderten Warenform der Massenkommunikation
im Spätkapitalismus. Aufsätze, FFM 1974, besonders S. 44-101; sowie, in
postmodernisierter Sprache, aber gleichsam Unterminierung (Quasi-Subversion) annehmend:
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[2] Siehe zum inkriminierten Punkt: Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, dt.,
Neuwied/ Berlin 1967; Otto Ullrich, Technik
und Herrschaft. Vom Hand-werk zur verdinglichten
Blockstruktur industrieller Produktion, FFM 1979, S. 41-48, 384-465.
[3] Und auch nicht kann, hier teile ich bestimmte
Auffassungen Hartmut Böhmes, alles der Bedeutung des Fetisch-Begriffs
subsumiert werden, wie er in einer engen, für die marxistische Theorie aber
nicht maßgebenden Entfaltung sich dartut. Siehe derselbe, Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Reinbek
2006, S. 283-352.
[4] Dem steht nicht entgehen, dass die Proteste ob
verkaufter Kundendaten und mangelnden Datenschutzes (Anonymität) seitens der
Unternehmen seit einigen Jahren immer stärker werden, man also fehlende
Indifferenz in Gestalt von aufgehobener Anonymität beklagt. Meines Erachtens
liegt hier eine Verwechslung vor: die datenwarenförmige soziale Adresse wird
verwechselt mit der Figur eines Persönlichkeitsrechte besitzenden Individuums.
[5] In „Reinform“ lässt sich dies beim Lottospielsystem
beobachten: Jeder Teilnehmer nimmt als massenhaft vereinzelt einzelner teil,
und doch nimmt sich jeder zumindest ernsthaft Spielende wahr als der einzige
resp. zu den Wenigen gehörende, der und die gewinnen. Diese enorme Spannweite,
die hierbei motivational nebeneinander und aufeinander
aufbauend zum tragen kommt, ist allerdings nur möglich durch die besondere
Herbeiführung einer Entscheidung der Auswahl, die ebenfalls „rein“ kontingent ist: die Auswahl der Zahlen durch Zufall. Diese
Gewinnentscheidung durch Zahlenkontingenz beerbt materialistisch den mystisch-christlichen
Zentrumsgedanken, nach dem alle gleich weit oder gleich nah zu Gott sind.
[6] Ich gehe für den Moment nicht ein auf die
allenthalben aufbrechenden restaurativen Bemühungen in vielen Teilen Europas,
mittels eines neuen Feindbildes – Islamismus – in einer Art aufgeklärtem
Traditionalismus an die kultural-religiösen Ressourcen und damit an vormoderne
Zugehörigkeitspolitiken anschließen zu wollen. Siehe etwa Richard Faber/
Frithjof Hager (Hg.), Rückkehr der
Religion oder säkulare Kultur? Kultur- und Religionssoziologie heute,
Würzburg 2008.
[7] Dieser Optimismus hatte natürlich mehr als nur eine
Motivationsquelle und mehr als nur ein Ziel vor Augen. Siehe zur Motivlage,
mittels massenmedialer Bilder zur kulturellen Kompensation abstrakter
Vergesellschaftungszwänge beizutragen, die Geschichte der Entstehung
Hollywoods, etwa Neal Gabler, Ein eigenes Reich. Wie jüdische Emigranten ‚Hollywood’ erfanden,
dt., Berlin 2004; zur Motivlage, in den neuen Massenmedien Ansätze für eine
Aufhebung der Individuum/ Gesellschaft-Unterscheidung
und damit für eine neue Ebene der Repolitisierung von
Solidarität zu sehen, immer noch Walter Benjamin, „Das Kunstwerk im Zeitalter
seiner technischen Reproduzierbarkeit“, dritte Fassung, in: derselbe, Abhandlungen, GS, Bd. I.2, hg. von Rolf Tiedemann & Hermann Schweppenhäuser,
FFM 1991, S. 471-508.
[8] Mead macht als klassische „Haltungen“ einer solchen
Verschmelzung Religion, Patriotismus und auch das Teamwork aus: „Wo sich ‚Ich’
und ‚ICH’ irgendwie verschmelzen können, da entwickelt sich jenes spezifische
Hochgefühl, das zu den religiösen und patriotischen Haltungen gehört, in denen
die bei anderen hervorgerufene Reaktion mit der eigenen Reaktion identisch ist“
(S. 320f.).
[9] Oder, in Anlehnung an Giorgio Agamben,
keine Identitäts- und Identifizierungsadressen mehr auszubilden – aus einer
ordnungspolitischen Perspektive betrachtet. Siehe Verf., „Die kommende
Gemeinschaft und exzentrische Paradoxie“, in: Janine Böckelmann/
Frank Meier (Hg.), Die gouvernementale Maschine. Zur politischen Philosophie
Giorgio Agambens, Münster 2007, S. 114-130.